Ludwigshafen Trügerische Karriereleiter

„Liebling, mein Herz lässt dich grüßen“: die „Comedian Harmonists“.
»Liebling, mein Herz lässt dich grüßen«: die »Comedian Harmonists«.

„Die Comedian Harmonists“ von Gottfried Greiffenhagen und Franz Wittenbrink nennen sich „ein Stück mit Musik“. Zutreffender für die Version des Pfalztheaters wäre „eine Musik mit Stück“. Sie war jetzt, nach der Dezember-Premiere in Kaiserslautern, im Theater im Pfalzbau zu erleben, das Koproduzent ist.

Die Musik, die für das Berlin der späten 1920er und frühen -30 er Jahre charakteristisch war, ist mitreißend in Szene gesetzt. Dem legendären Sextett, das edel im Frack auftrat, sind die Lauterer Interpreten durchaus ebenbürtig. Stimmlich auf Opern-Niveau, mimisch und darstellerisch vorzüglich abgestimmt auf die Texte zwischen Kabarett, Varieté und Schlager. Der Mann am Flügel und musikalische Leiter ist Horst Maria Merz, der schon die Uraufführung des Stücks vor 20 Jahren in der Komödie am Kurfürstendamm in Berlin am Piano begleitet hat. Wie er lässig auf dem Schemel Platz nimmt, wie er elegant in die Tasten greift, zu Auftritten die Reihe anführt, zu Abtritten abschließt, ist er auch schauspielerisch aktiver Teil der Gruppe. Aufstieg, Triumph und Fall der Comedian Harmonists ist der Inhalt des Stücks. Gewöhnlich wird so etwas als Revue konzipiert, wobei die Hits der Stars in ihre persönlichen Lebensgeschichten eingefügt sind. Hier jedoch gibt es keine Geschichten außerhalb der Existenz als Gruppe. Wir erleben Proben, Streit und Zusammenhalt, das Musikgeschäft anhand von Veranstaltern und Agenten. Wir erleben Auftritte in renommierten Häusern: A-capella-Gesang in effektvollen Aufstellungsposen mit einem liebenswürdigen Schuss Clownerie. „Sie sollen singen, dass die Bude wackelt“, verlangte ihr erster Großveranstalter. Die Erfolgsgeschichte beginnt 1927 in der Wohnung von Harry Frommermann. Per Zeitungsannonce sucht er Sänger für ein Vokalensemble nach dem Vorbild der von ihm verehrten „Revellers“. Oliver Burka, der Tenor Buffo, springt gelenkig um den Flügel herum, während auf der Hinterwand die Schattenrisse der künftigen Ensemblemitglieder zu sehen sind. Sie treten hervor und erzählen ihre bisherige Gesangsbiografie. Als erster der Bass Robert Biberti. Dass er ein Mann von selbstbewusster Härte sein wird, lässt Jan Henning Kraus hier schon erkennen. Mit ihm kommen zwei Kollegen vom Großen Schauspielhaus. Dem Tenor Ari Leschnikoff, Bulgare und einstiger Kavallerie-Leutnant, gibt Björn Christian Kuhn slawischen Akzent und ein fröhliches Naturell. Der mehr melancholische Pole und Bariton Roman Cycowski von Manuel Klein tritt standhaft für die gemeinsame Idee ein. Der Pianist Erwin Bootz stößt später dazu und bringt den Tenor Erich A. Collin mit: Stefan Kiefer umgänglich und verlässlich. Spannungen gibt es von Anfang an, aber die hat der Autor Greiffenhagen szenisch kaum ausgearbeitet. Wie die Gruppe durch äußeren Druck schließlich von innen heraus zerbricht, wird dann leider auch nur stereotyp angedeutet. So ist das stimmschöne Singen der mitreißende Gesamteindruck: „Veronica, der Lenz ist da“, „Mein kleiner grüner Kaktus“, „Ein Freund, ein guter Freund“, „Liebling, mein Herz lässt dich grüßen“, „Wochenend und Sonnenschein“ und viele weitere Hits, die Adaptationen, Schlager, Volkslieder und auch eigene Kompositionen von Bootz und anderen sind. Die Sänger nehmen in komischen Formationen Aufstellung auf einem Treppengerüst. Es ist weiß und beim Karrierehöhepunkt in der Philharmonie von zwei pompösen Lüstern gekrönt. Danach, im zweiten Teil, ist es schwarz. Das gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Umfeld aufzuzeigen, obliegt einer Figur namens Hans. Sie ist Erzähler, Kommentator, Theaterdirektor, Agent. Nicht so glücklich ist die Idee, den von Harry Schäfer gespielten Hans als ironische Figur mit clownesker Maske und in ausschweifenden Kostümierungen anzulegen. Am besten ist er in einer witzig choreografierten Stepp-Szene. Jüdische Künstler gehörten zu den prominentesten Vertretern der vibrierenden Kulturszene jener Berliner Jahre. Trotz Weltwirtschaftskrise setzte sich der Aufstieg der Comedian Harmonists fort, wurde dann aber brutal abgebrochen. Frommermann, Collin und Cycowski waren Juden. Die anderen mussten sich von ihnen trennen.

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