Kreis Bad Duerkheim „Schlaraffia ist für mich ein Rückzugsort“

Humorvolles Beisammensein: die Schlaraffen in ihrer „Burg“.
Humorvolles Beisammensein: die Schlaraffen in ihrer »Burg«.

Von Oktober bis April treffen sich die Mitglieder wöchentlich zu „Sippungen“, Zusammenkünften. Seit 50 Jahren „sippen“ die Schlaraffen in Bad Dürkheim schon – und das wollen sie gebührend feiern. Zum Jubiläumswochenende vom 10. bis 12. Mai sind alle Mitglieder weltweit eingeladen. Neben einem Golfturnier sind unter anderem auch Führungen auf der Limburg und durch Bad Dürkheim geplant. Für den Höhepunkt der Feier, die Festsippung am Samstagabend, haben sich 550 Schlaraffen angemeldet. „Wir bewerben damit auch die Region um Bad Dürkheim“, betont Schlaraffe Bernd Kirsch alias Ritter Ebbes der Trickreiche. Für das Festkonzert des allschlaraffischen Symphonieorchesters am Sonntag, 12. Mai, um 11.30 Uhr in der Burgkirche ist auch die Öffentlichkeit herzlich eingeladen. Gegründet wurde der Herren-Club 1859 in Prag, wo frustrierte Künstler die deutsche Gesellschaft persiflieren wollten. Durch ihre Engagements in verschiedenen Städten verbreiteten die Kunstschaffenden die Idee vom schlaraffischen Ritterspiel, sodass sich bis zum Zweiten Weltkrieg weltweit über 250 Reyche, so heißen die lokalen Vereine, gegründet hatten. Während des Krieges waren die Schlaraffen gezwungen, sich aufzulösen. Man habe befürchtet, dass die Vereine heimlich politisch aktiv seien, sagt Bernd von Vietsch alias Ritter Lästofilou der Schlagfertige aus Ellerstadt. Dabei sind Themen wie Politik und Religion in Schlaraffia tabu – auch wenn die Wurzeln der Gruppierung in der Persiflage des Profanen liegen. Nach Ende des Krieges wurden die Reyche neu gegründet. „Kaum war die Freiheit wieder da, kamen auch die Schlaraffen zurück“, so von Vietsch, der einer von drei gewählten Oberschlaraffen im Reych „An der Weinstrasse“ ist. Zum Verein kam der 75-Jährige 1987 über einen Schlaraffen, den er beruflich kennengelernt hatte. „Für mich sind die Sippungen Erholung pur“, sagt er. Weltweit gibt es heute etwa 10.500 Schlaraffen in über 250 Reychen. In jedem davon ist Deutsch die Amtssprache. Das Reych „An der Weinstrasse“ in Bad Dürkheim wurde 1969 als Tochterreych von der „Perla Palatina“ in Neustadt von Wilhelm Dautermann (Ritter Borgis) gegründet und hat heute 50 Mitglieder. Kirsch war von Anfang an dabei: „Zunächst waren es ungefähr zwölf Männer“, erinnert er sich. Er ist einer von vier verbliebenen Gründungsmitgliedern und der einzige Dürkheimer. Der 79-Jährige schätzt vor allem die gemeinsamen Reisen sowie die weltweiten Kontakte und Freundschaften, die sich über seine Schlaraffenmitgliedschaft ergeben haben. „Ich genieße den freundschaftlichen Umgang miteinander und die Hilfsbereitschaft, die einem auch im Ausland von Schlaraffen zuteil wird“, sagt er. Außerdem werde man während der Sippungen geistig gefordert. „Das hält fit“, wie der Ritter sagt, auch wenn das biologische Alter bei den Schlaraffen überhaupt keine Rolle spiele. „Schlaraffia ist für mich ein Rückzugsort, an dem man willkommen ist und sich eine Auszeit vom Alltag nehmen kann“, beschreibt Matthias Selinger, der in Grünstadt wohnt und im Reych als Jazzogern de Woisträss’ler bekannt ist. Der 67-Jährige hatte das erste Mal Kontakt mit Schlaraffia in den USA. „Der Onkel meiner Frau war Schlaraffe und hat mich mitgenommen, als ich beruflich öfters dort war“, erklärt er. Selbst in den Verein eingetreten ist er dann 1999 durch den Kontakt zu den hiesigen Schlaraffen. Neue Mitglieder finden sich meist im Bekanntenkreis der alten Hasen. „Wenn er Humor hat und zu uns passt, wird er zur Sippung am Freitag eingeladen“, erklärt von Vietsch. Man könne aber auch über die Website in Kontakt mit dem Reych treten. Die meisten seien zu Anfang etwas verschreckt, gibt Selinger zu, da das Ritterspiel während der Sippungen einem Ritual folge und in bestimmter Sprache abliefe. „Außerdem tragen alle ihre Rüstungen, das sind Mäntel in reychsspezifischen Farben sowie die sogenannten Helme, die Laien wohl eher an Fasnachtskappen erinnern.“ In Bad Dürkheim kleiden sich die Schlaraffen in Violett und Türkis. Wer als Pilger erst einmal nur ein Besuchsrecht hat und nach einigen Treffen dann Schlaraffe werden will, kann als Prüfling seine Entscheidung festigen. Wenn alle Mitglieder und der Anwärter gefallen aneinander finden, wird der Neuling nach einer Abstimmung als Knappe in die Gemeinschaft aufgenommen. Er bekommt eine fortlaufende Nummer und lernt im folgenden Jahr alle Regeln des Ritterspiels. Beherrscht er die Spielregeln, steigt er zum Junker auf, wird von da an mit Vornamen angesprochen und kann sich an den verbalen Duellen und künstlerischen Beiträgen der Sippungen beteiligen. Nach drei bis vier Jahren folgt der Ritterschlag und der Schlaraffe bekommt seinen individuell einzigartigen Ritternamen. Als Ritter Gutzgauch der tonreiche Taktiker ist Jürgen Müller bei den Schlaraffen aktiv. Sein Rittername spielt auf seine Zeit als Bezirkskantor der Schlosskirche an. Seit 1993 nutzt der 67-Jährige das Schlaraffe-Sein, um sich vom beruflichen Stress zu befreien: „Hier kann man über sich selbst lachen und sich auch mal gegenseitig aufs Korn nehmen.“

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