Ludwigshafen Getanztes Bild

Ein Bild im Werden: Szene aus „Shared Canvas“.
Ein Bild im Werden: Szene aus »Shared Canvas«.

Der Maler und Schauspieler Cédric Pintarelli und der Tänzer Jonas Frey schaffen gemeinsam ein Bild. „Shared Canvas“ heißt die Performance. In einem Museum für zeitgenössische Kunst wäre sie gut aufgehoben, denn sie inszeniert die auf Jackson Pollock zurückgehende Malweise des Action Painting. Doch im Museum würde sie nicht so wirken wie im Mannheimer Ein-Tanz-Haus.

Weiße Kartons werden zu einem Viereck ausgelegt, zu einem Bild, das erst werden soll. Gebückt gleitet der Tänzer über sie hin; zögerlich und in Schüben, die von DJ Danijel „Sonderskooler“ Lokas wellenartig intoniert werden. Jonas Frey trägt Hip-Hop-Klamotten in fahlem Grau, das sich gerade noch vom weißen Grund abhebt. Kontinuierlicher, schneller, heftiger, intensiver misst er die Malfläche mit seinem Körper aus. Dicht am Boden wirbelt er über die ausgelegte Fläche in spektakulären Drehungen. Der Maler tritt hinzu, in Hose und Shirt von dem gleichen gebrochenen Weiß wie beim Tänzer. Aus einer schwarzen Flasche spritzt er einzelne Punkte und Punktlinien auf die ausgelegten Kartons und auch über den Tänzer. Der versucht, in den weißen Zwischenräumen zu bleiben, was zunehmend enger für ihn wird. Nun kommt der Maler mit Eimer und Tüncherrolle an einer langen Stange. Er zieht breite Streifen. Sein Körper gerät dabei in Bewegung. Er schwenkt die Stange, lässt sie kreisen. Der Tänzer duckt sich unter dem kreisenden Hebelarm. Dabei verschmiert er die noch nasse Zeichnung auf dem Boden mit seinem Körper. Bald ist dieser so grauschwarz wie jene. Es könnte dies das Ende und das Bild fertig sein, ist es aber nicht. Neue weiße Flächen kommen ins Spiel. Sie werden vor einer schwarzen Stehleiter aufgereiht, von deren Spitze aus beide Akteure wechselweise das Werk betrachten. Der Maler, nun im gleichen graufleckigen Kapuzenshirt wie der Tänzer, greift zur Farbspritze. Er pumpt und spritzt. Kompakte schwarze Linien ringeln sich über die aufgestellten weißen Flächen und platschen auf die schon bearbeiteten, die auf dem Boden liegen. Während zu Beginn der Performance der Tänzer im Vordergrund stand, zieht nun der Maler die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich. Einen nach dem anderen, nimmt er die Malkartons in die Hände, hält sie hoch und quer, schüttelt sie, schwenkt sie hin und her, damit die schwarze Farbe in grafischen Verläufen und Drippings fließt. Der Tänzer kriecht derweil auf dem Boden und bringt mit Händen, Ellenbogen und dem ganzen Körper Verschmierungen hervor. Zuletzt bauen sie gemeinsam Kartenhäuser aus jeweils zwei Kartons. In dem schwarzen Kirchenraum des Ein-Tanz-Hauses wirkt das alles, grafische Optik und körperbetontes Tun, ernst und meditativ wie eine kultische Handlung, wie ein Schöpfungsakt. Und siehe, es fügt sich zusammen zu einer bildkünstlerischen Installation! Die beiden Schöpfer ziehen sich daraus still zurück; sie kommen nicht zum Applaus. Jonas Frey und Cédric Pintarelli arbeiten schon länger zusammen, erstmals wurde daraus jetzt ein vollständiges Stück. Crossover, multimediales Arbeiten, Performance werden im Theater groß geschrieben. Dass Malerei und Tanz eine so enge Beziehung eingehen und sich zu einer Bühnenstruktur verbinden, ist jedoch ungewöhnlich. Tanz demonstriert Action Painting in einer theatralen Show.

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