Ludwigshafen Erschreckend realistisch

Bei der Übung mussten auch „Verletzte“ gerettet werden.
Bei der Übung mussten auch »Verletzte« gerettet werden.

Gerade wird am Landgericht Frankenthal zu klären versucht, wer die Verantwortung für das große Brand- und Explosionsunglück im BASF-Nordhafen mit fünf Toten und einem Millionenschaden übernehmen muss. Es mag Zufall sein, aber die Übung in der BASF weckte Erinnerungen daran: Im Nordhafen war 2016 durch einen anfänglich kleineren Brand an einer versehentlich aufgeflexten Rohrleitung eine Ethylen-Fernleitung mit 88 bar Innendruck in die Luft geflogen. Das Übungs-Szenario gestern sah den Austritt von Methan-Erdgas mit anschließendem Brand in einer Ethylenfabrik vor. Zur Brandbekämpfung rückte die Werksfeuerwehr mit 24 Fahrzeugen und dem Turbolöscher aus. Das farb- und geruchlose Gas ist leicht entzündlich und explosiv. Deshalb gebe es an den Stationen Gasdetektoren, die sofort die Feuerwehr alarmieren, erläutert Mirko Haider, Betriebsleiter der turmhohen Ethylen-Fabrik, den Beobachtern. Um 11.20 Uhr ertönt das laute Hupen des Alarms. Nach endlos lang erscheinenden Minuten ist die Feuerwehr von zwei Seiten da. Die Männer rennen in voller Montur umher, blitzschnell werden Schläuche ausgerollt, Wasserwerfer gehen in Betrieb. Andere kümmern sich um die Personenrettung. „Verletzte“ werden aus der Anlage herausgeführt, mit Tragen abtransportiert sowie aus zehn Metern Höhe mit dem Teleskopmast heruntergeholt. Kurz darauf legt mit ohrenbetäubendem Getöse ein „Turbolöscher“ der Werksfeuerwehr los. „Er kann 8000 Liter pro Minute bis 150 Meter weit als Wassernebel schleudern“, informiert Jörg Pfrang von der Werksfeuerwehr. Der Wassernebel diene der Kühlung und sei besser als ein Wasserstrahl, weil er tiefer in die Anlage eindringen könne. Das Löschen der Flamme sei nicht das Ziel. Denn weiter ausströmendes Gas könne sich jederzeit wieder entzünden, macht der Fachmann klar. Es geht auch darum, Anlagen vor übergreifenden Flammen zu schützen. „Die Leitung ist abgeschiebert“, heißt es schließlich um 11.45 Uhr. Ein Feuerwehrmann im Spezialanzug habe dies erledigt. Mit dem Schließen der Leitung wird der Gasaustritt gestoppt und die Flamme erlischt. Gefordert sind bei der Übung auch die Rettungskräfte. Neben den rund 40 Feuerwehrleuten mit 18 Fahrzeugen sind auch etliche Rettungsfahrzeuge vor Ort. Dazu kommt noch ein umgebauter Linienbus als Großraum-Rettungswagen der Ludwigshafener Feuerwehr. Wie beim realen Unglück beurteilen Notärzte die Verletzten und teilen sie nach Schwere der Verletzung in Gruppen ein. Damit die Übung echt wirkt, haben 16 Auszubildende die Rollen der Verletzten übernommen. Die teils sehr echt aussehenden „Verletzungen“ und „Verbrennungen“ seien von Spezialisten des Rettungsdiensts angefertigt worden, erläutert Bernd Trauth, Leiter der BASF-Arbeitsmedizin. Vor Ort wird nun auch eine Gruppe für Mitarbeiterbetreuung aktiv. Sie leistet psychologische Hilfe für die nicht körperlich verletzten Betroffenen. Im Fahrzeug der Umweltüberwachung, das mit moderner Technik vollgestopft ist, wird derweil die Luftqualität überwacht. Bei einer Konzentration von Stoffen über die Grenzwerte hinaus ergeht eine Warnung an umliegende Wohngebiete. „Die Übung ist in etwa so abgelaufen wie vorgestellt. Es war gut“, zieht Gert van Bortel, Leiter der BASF-Werkfeuerwehr, am Ende ein zufriedenes Fazit. Bei Außentemperaturen von über 30 Grad Hitze sei der Einsatz im Feuerwehr-Overall mit 30 Kilogramm Ausrüstung eine echte Herausforderung, bedankt er sich bei seinen Leuten. Die BASF-Werkfeuerwehr in Ludwigshafen zählt über 180 Mitarbeiter. „Das hat heute gut funktioniert“, findet auch BASF-Standortleiter Michael Heinz. Um für den Ernstfall gerüstet zu sein, müssten alle beteiligten Akteure regelmäßig die Abläufe und Maßnahmen zusammen trainieren, wie er betont. Und der Ernstfall kann jederzeit eintreten, wie die Realität gezeigt hat.

Wasser marsch: Anlagen mussten geschützt werden.
Wasser marsch: Anlagen mussten geschützt werden.
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