Ludwigshafen Eine Kundry, wie sie leibt und lebt

Verführerische Büßerin: Angela Denoke als Kundry.
Verführerische Büßerin: Angela Denoke als Kundry.

Dem Anspruch eines festlichen Opernabends ist die vorletzte Vorstellung der Mannheimer Galareihe in dieser Spielzeit auf jeden Fall gerecht geworden. Das sängerische wie das orchestrale Niveau der Aufführung von Wagners „Parsifal“ waren imponierend. Auf der Bühne stand ausgewiesene Sängerprominenz: Angela Denoke als Kundry und René Pape als Gurnemanz. Dirigent war Alexander Soddy, der Musikchef der Nationaltheaters.

Zuerst zu den Gästen. Die zerrissene Gestalt der Sünderin, Verführerin und Büßerin Kundry verkörperte Angela Denoke in der unverwechselbaren Manier der Charakterdarstellerin und Opernheroine. Durch bedingungslose Identifikation mit der Bühnenfigur und die zwingende Aura der leidenschaftlichen singenden Tragödin zog ihre Darstellung die Besucher unwiderstehlich in ihren Bann. Auf der Bühne des Nationaltheaters agierte - und litt – diesmal Kundry, wie sie leibt und lebt. Ihrem hell leuchtenden, durchschlagskräftigen Sopran verstand Denoke eine weite Skala hoch expressiver Nuancen und Akzentuierungen abzugewinnen. Nicht zu vergessen ihre intensive Textdiktion. Ihre faszinierendsten Momente hatte die Sängerin im zweiten Akt, im Garten des dämonischen Zauberers Klingsor bei Kundrys missglücktem Versuch, Parsifal zu verführen. Der Facettenreichtum ihrer dynamischen Nuancen, die Fülle an Klangfarben und Akzentuierungen dieser Sängerin, wirkte schier umwerfend. Dass Parsifal, „der reine Tor“, bei diesen Sirenentönen standhaft blieb, dafür verdiente er ohne den geringsten Zweifel die Krone des Gralskönigs. Gegen Ende dieses Mittelakts wirkte allerdings Angela Denokes Stimme mitunter angestrengt, gab es einige fahle Töne ohne klares Klangprofil zu hören. Der andere Galagast, René Pape, glänzte seinerseits in der Rolle des Gurnemanz mit seiner tadellos geführten mächtigen Bassstimme von schier unbegrenzter sonorer Gewalt und durch die Fülle des Wohllauts, die sie verströmte. Papes sängerische Souveränität wirkte mehr als beeindruckend. Darstellerisch gab der Bassist einen sehr lockeren, eher gemütlich wirkenden Gurnemanz. Die Titelrolle sang der niederländische Tenor Frank van Aken mit klangvoller Stimme von metallischem heldentenoralen Glanz und stets ausgeglichener Gesanglinie. Amfortas, die andere Leidensgestalt in Wagners Bühnenweihfestspiel, der – zum Schluss erlöst – seinen Thron an Parsifal abtritt, charakterisierte Thomas Berau sängerisch wie darstellerisch höchst expressiv und mit bewegender Intensität. Seinen an sich angenehm getönten Bariton brachte indes eine ausgeprägte Neigung zum Tremolieren zumindest teilweise um seine Wirkung. Von den weiteren hauseigenen Sängern waren Joachim Goltz ein schauspielerisch engagierter Klingsor, ein perfekter Opernbösewicht mit scharfem, satanischem Bariton, und Patrick Zielke ein Titurel mit stabilem Bass. Einwandfrei die vielköpfige restliche Besetzung und der von Dani Juris disziplinierte Chor. Entscheidend für den ansehnlichen Standard dieser festlichen Aufführung war der Beitrag Soddys und des ebenso konzentriert wie flexibel spielenden Nationaltheater-Orchesters. Der Dirigent disponierte sehr sicher und zeigte sich stets intensiv um Ausdruck und Differenzierung bemüht. Zudem sorgte er für optimale orchestrale Tonqualität, feine Schattierungen, bei den Szenen in Klingsors Zaubergarten für delikate, vorimpressionistische Farbtupfer und immer wieder für ekstatische, eminent dramatische Gipfelungen. Da kann man nur noch begeistert hinzufügen: „Was wollt ihr von den Meistern mehr?“

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