Landau Stromleitungen als Todesfallen für Störche

Rund 70 Prozent der Jungstörche des Bornheimer Storchenzentrums sterben, bevor sie erwachsen werden. Die meisten verenden an Stromschlägen, prangert dessen Leiterin Jessica Lehmann an. Kann das verhindert werden?

Von 108 Störchen, die die Aktion Pfalzstorch seit 2015 mit GPS-Sendern ausgestattet hat, leben noch 27. 81 Störche sind tot. Alleine 30 davon starben nachweislich wegen eines Stromschlags. Diese Zahlen präsentiert Jessica Lehmann, Leiterin des Bornheimer Storchenzentrums. Aber: Die Dunkelziffer sei recht hoch, viele Stromversorger meldeten Stromtote nicht. Im Juni haben die Tierschützer 23 Störche „besendert“, davon sind noch 16 am Leben. „Das ist kein Vierteljahr her“, betont Lehmann. Sie ordnet die Zahlen ein: Von 100 Jungstörchen sterben 70, bevor sie das Erwachsenenalter erreichen. Haupttodesursache sei der Mensch. Neben Strommasten sorgen auch Müll oder die Jagd für ein frühzeitiges Verenden der Jungtiere. Lehmann spricht dabei nur über die Jungstörche, die auch das Nest verlassen – dort sterbe bereits ein Teil des Nachwuchses.

Nicht ausreichend isolierte Masten ein Problem

Ein Stromtod sei nicht hübsch anzusehen, betont Lehmann und zeigt Fotos. Zum einen können Störche mit Flügelspannweite von zwei Metern zwei Leitungen versehentlich „überbrücken“. Zum anderen ziehen Strommasten die Störche an. Die Tiere liebten es, auf hohen Stellen in freiem Gelände zu rasten. Da es immer weniger Bäume in der Landschaft gebe, seien Masten oft die einzige Möglichkeit. Wenn diese nun nicht ausreichend isoliert seien, gebe es einen Schlag. Bei Störchen, die von Stromstößen getroffen werden, platzen die Füße, die Federn stehen zu Berge, der Kropf in der Kehle wird durch den Schnabel nach außen gepresst. Zudem sei der Geruch eines verbrannten Storchs sehr „nachhaltig“. Stromtod – oder Elektrokution – sei kein deutsches Problem, sondern ein internationales. Die meisten in Bornheimer Kolonien lebenden Tiere verendeten in Spanien oder Frankreich, sagt Lehmann. In Deutschland geben es unter ihren Tieren zwei nachgewiesene Fälle – bei einem weiteren sei unklar, ob Strom der Grund ist. Deshalb wünscht sich Lehmann eine Lösung auf internationaler Ebene – sie sieht die EU in der Pflicht, eine Regelung zu treffen. Dort jedoch ist derzeit kein laufendes Gesetzgebungsverfahren zu diesem Thema, heißt es auf Anfrage aus dem EU-Parlament.

GPS-Daten geben Aufschluss über Aufenthaltsorte

Die Storchenschützer verfolgen die Routen der Tiere über Sender und Google-Maps. Ein Programm versorgt die Bornheimer mit den GPS-Daten. Bewegt sich ein Sender gar nicht, ist das ein Hinweis darauf, dass das Tier tot ist – oder der Sender ist kaputt. Rastende Tiere bewegten sich in der Regel einige 100 Meter, erklärt Stefanie Zepke, die ihr Freiwilliges Ökologisches Jahr in Bornheim leistet. Aufseiten der Stromversorger sieht Lehmann aber auch noch Handlungsbedarf – von ihrer Generalkritik nimmt sie die Pfalzwerke aus, der regionale Anbieter sei engagiert. Die Pfalzwerke betreuen 22.000 Mittelspannungsmasten, sagt Ulrich Striehl. Er ist bei den Pfalzwerken für den Leitungsbau verantwortlich. Schutzhauben sollen verhindern, dass die Vögel auf den Masten landen können. Ob sie nötig sind, hänge von der „Mastgeometrie“ ab. Seien beispielsweise die Leiterseile weit genug auseinander, werde keine Haube benötigt. Seit 2011 seien 97 Prozent der Masten der Pfalzwerke „großflächig nachgerüstet“ worden, berichtet Striehl. Kosten: „Hohe Millionenbeträge.“ Die restlichen Masten sollen „peu à peu“ gesichert werden. Die Kosten für die einzelnen Hauben hingen von dem Masttypen ab – sie liegen laut Striehl zwischen 1000 und 5000 Euro. Um die Masten zu sichern, muss aber der Strom abgeschaltet werden. „Je nach Maststandort und angeschlossenen Verbrauchern kann dies unter Umständen sehr aufwendig sein, da wir die Versorgung der Verbraucher jederzeit sicherstellen müssen.“ Hierbei fielen weitere Kosten zwischen 400 und 11.000 Euro an. Die Aktion Pfalzstorch melde unsicher erscheinende Masten, diese würden dann zuerst gesichert, sagen Lehmann und Striehl. In Rheinland-Pfalz galt der Storch zwischen 1973 und dem Ende der 90er-Jahre als ausgestorben. Er wurde als Brutvogel unter anderem von der Aktion Pfalzstorch in Bornheim wieder angesiedelt. Der Schutz der Störche müsse weiter vorangebracht werden, sagt Lehmann. Denn: „Bei wenig anderen Tieren ist der Eingriff des Menschen so sichtbar wie beim Storch.“

Nicht schön: Storch nach Kontakt mit einer Stromleitung.  Foto: Lehmann
Nicht schön: Storch nach Kontakt mit einer Stromleitung.
x