Landau Landau: ESG-Namensgeber historisch belastet

Erziehungswissenschaftler fordert Rücknahme des Titels „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“

„Unglaublich“ – das ist die erste Reaktion des Erziehungswissenschaftlers Benjamin Ortmeyer am Telefon, als er vom Beschluss des ESG-Schulausschusses erfährt, am Namenspaten festzuhalten (wir berichteten am Mittwoch). „Das ist sehr schade, aber das ist Demokratie“, kommentiert Rüdiger Stenzel, stellvertretender Vorsitzender des Schulelternbeirats, die Entscheidung, die am Dienstagabend mit 5:3 für die Namensbeibehaltung ausgefallen ist. Bürgermeister Maximilian Ingenthron hatte von Anfang an klargestellt, die Stadt werde die Schulentscheidung respektieren. „Das kann so nicht stehen bleiben, da muss nachverhandelt werden“, betont Ortmeyer, die Landeszentrale für Politische Bildung müsse den Titel „Schule ohne Rassismus“ zurücknehmen. „Das ist eine Schule mit Rassismus.“ Der 66-Jährige, der bis April an der Goethe-Universität Frankfurt am Main lehrte, beschäftigt sich hauptsächlich mit der Pädagogik in der Zeit des Nationalsozialismus und hat das Wirken des Pädagogen und Philosophen Eduard Spranger und dreier weiterer führender Erziehungswissenschaftler in der NS-Zeit in seiner Habilitationsschrift „Mythos und Pathos statt Logos und Ethos“ untersucht. Die Studie ist 2009 erschienen und löste eine Diskussion über die mögliche Umbenennung von Schulen und Straßen aus, darunter nach Peter Petersen benannte Bildungseinrichtungen. Ein Bericht über Spranger in der Zeitung Frankfurter Rundschau am 11. Mai 2017 fachte die Diskussion erneut an, schließlich auch in Landau. Bevor das Landauer ESG beschlossen hat, alles beim Alten zu belassen, fiel in Frankfurt-Sossenheim an der dortigen Eduard-Spranger-Schule die Entscheidung, den Namen abzulegen. Der Frankfurter Forscher beklagt, dass in Deutschland die Verbindung von Verbrechen, Ideologie und Nazipädagogik nicht verstanden worden sei. Spranger und die Erziehungswissenschaftler seiner Zeit aus der Stahlhelm-Fraktion hätten sich nicht mit pöbelnden SS-Leuten gemein gemacht. Vielmehr hätten die „edlen Nazibefürworter“ in allen Bereichen zu den wesentlichen Stützen gehört, die das System Hitler aufrecht erhielten. Das klassische Spranger-Zitat „Ich bin gegen den übersteigerten Antisemitismus“ (Ortmeyer: „Nicht gegen Antisemitismus, nur gegen den übersteigerten“) sei die Folie, auf der das Ganze verhandelt werde. Das war für die Entscheidung in Landau wohl letztlich nicht ausschlaggebend. Den meisten Schülern und Lehrern ging es um Traditionsbewusstsein, um das ESG als Marke, um das Kürzel. Das stand laut SEB-Vertreter Stenzel deutlicher im Vordergrund als der Name Spranger. Ein neuer Name wäre eine Chance gewesen, etwas Neues zu machen. Schließlich ändere die Schule ihr Profil hin zu einer naturwissenschaftlich-mathematischen Orientierung, sei weniger altsprachlich geprägt. „Ein Name, der belastet ist, passt nicht in die Zeit“, äußert Stenzel seine persönliche Meinung. Und wenn der Name selbst nicht interessiere, dann brauche es den Namen auch nicht. Bürgermeister Maximilian Ingenthron sieht als Vertreter des Schulträgers keinen Grund, der Schule reinzugrätschen, wie er am Mittwoch sagte. Die Schule habe sich noch nie so intensiv mit dem Namensgeber befasst wie jetzt. „Jede Diskussion hat ihre Zeit.“ Der Sozialdemokrat allerdings hätte für einen neuen Namen gestimmt. Er hatte mit seiner Meinung hinter dem Berg gehalten, um die Diskussion nicht zu beeinflussen. Ein neuer Name sei eine Chance, über das Schulprofil nachzudenken. Der Name sei ihr 1964 vom damaligen Direktor auferlegt worden. „Ich sehe keine Nähe zwischen Eduard Spranger und der Schule, wie sie heute dasteht.“

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