Landau Drei Tage lang auf Wolke sieben

Robert Müller übernimmt Aufgaben, wenn Senioren sie nicht mehr selbstständig erledigen können. Er ist einer von acht ehrenamtlic
Robert Müller übernimmt Aufgaben, wenn Senioren sie nicht mehr selbstständig erledigen können. Er ist einer von acht ehrenamtlichen Nachbarschaftshelfern in Hördt.

Die „Sorgende Gemeinschaft in Hördt für Hördt“ wurde im März ein Jahr alt. Entstanden ist die Nachbarschaftshilfe aus dem Projekt „Gut leben im Alter“ der Landeszentrale für Gesundheitsförderung. Ehrenamtliche übernehmen Fahrdienste oder Arbeiten im Garten. Die Nachbarorte haben ähnliche Hilfsangebote.

„Wenn jemand ,Danke’ zu mir sagt, schwebe ich drei Tage lang auf Wolke sieben“, sagt der Hördter Robert Müller. Der Rentner engagiert sich in der Nachbarschaftshilfe. Wie weitere sieben ehrenamtliche Helfer. „Das Projekt ist sehr gut angelaufen“, berichtet der Seniorenbeauftragte des 2500-Seelen-Ortes, Günther Becht. „Nachbarschaftshilfen aller Art bei rund 100 Personen wurden geleistet.“ Auch Thorsten Stephan Verlohner, Beigeordneter der Gemeinde, sieht das Ziel des Netzwerks, das Leben älterer Menschen im Ort zu erleichtern, erreicht. Auch wenn die Anfragen unregelmäßig und spontan erfolgen. Die Organisation der Sorgenden Gemeinschaft läuft so ab: „Die Leute rufen an und sagen, was sie auf dem Herzen haben“, erklärt Verlohner, der mit Becht Ansprechpartner für die Nachbarschaftshilfe ist. Auf der Liste der Helfer sucht der 46-Jährige dann einen Ehrenamtlichen heraus, der die Dienstleistung gut erbringen könne. „Dann leite ich das Anliegen weiter.“ Am häufigsten gefragt sind laut dem Seniorenbeauftragten „Fahrdienste und Hilfen beim Einkaufen“. Auch kleinere handwerkliche Tätigkeiten oder Arbeiten im Garten stünden immer wieder an. Ein selteneres Beispiel beschreibt Verlohner: „Einmal habe ich einen Flüchtling angerufen, der dann einer Dame geholfen hat, ein Grab mit Steinen zu dekorieren.“ Auch regelmäßige Hilfeleistungen werden immer wieder erbracht: Der Hördter Hugo Hamburger zum Beispiel geht einmal in der Woche mit einem Rollstuhlfahrer spazieren. Ein reines Ehrenamt üben auch die Nachbarschaftshelfer der Nachbarorte aus. Ein Plus der ehrenamtlichen und kostenlosen Hilfen beschreibt Gerlinde Gehrlein vom Netzwerk St. Anna aus Kuhardt: „Der Kontakt ist sehr persönlich. Man kennt sich schon, man ist vor Ort.“ Jedoch: „Wir wollen keine Konkurrenz zur Sozialstation oder anderen Diensten sein. Wir sprechen unsere Hilfen mit ihnen ab“, betont Rita Torka vom Netz der kleinen Hilfen aus Leimersheim. Einen weiteren Unterschied zu den Leistungen der Sozialstation, die zumeist von der Pflegekasse getragen werden, erklärt die Geschäftsführerin der Sozialstation Rülzheim, Gabi Xander-Decker: „Die Menschen, die sich an die ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe wenden, sind in der Regel noch nicht so hilfebedürftig, dass sie sich bei uns melden.“ Wenn jemand regelmäßige Betreuungsdienste bräuchte, setze sich die Nachbarschaftshilfe oft mit ihnen in Verbindung. „Und wir übernehmen dann.“ Entstanden ist die Sorgende Gemeinschaft aus dem Beteiligungsworkshop „Gut leben im Alter“ der Landeszentrale für Gesundheitsförderung (LGZ) im Sommer 2016 in Leimersheim. Um Ideen zu sammeln, die das Leben von Senioren erleichtern sollen, hatte sich die Verbandsgemeinde Rülzheim auf die Ausschreibung der LGZ zum Workshop beworben. Mit Beteiligungsworkshops will die LGZ seit 2012 im Auftrag der Landesregierung Städte und Gemeinden unterstützen, den demografischen Wandel positiv zu gestalten. Konkret bedeutet das: Projekte zu schaffen, damit ältere Menschen gut und gesund in ihrem Heimatort leben können. Für die Verbandsgemeinde Rülzheim hat sich die Teilnahme gelohnt: Auf die Sorgende Gemeinschaft in Hördt folgte die Gründung der Nachbarschaftshilfe Rülzheim. In Kuhardt wurden ein Begegnungscafé und ein Seniorenstammtisch geschaffen. Was für alle ehrenamtlichen Nachbarschaftshelfer der Verbandsgemeinde selbstverständlich ist: Man hängt die Hilfeleistungen nicht an die große Glocke. „Bei uns herrscht ein schweigendes Abkommen: Alle Nachbarschaftshilfen bleiben unter uns“, erklärt Robert Müller. Warum das so ist? Der Hördter schmunzelt: „Es ist wohl eine deutsche Angewohnheit, nicht zu zeigen, dass man Hilfe braucht.“ Und weshalb engagiert sich der 68-Jährige in seinem Ruhestand eigentlich für seine Nachbarn? „Ich freue mich, wenn ich hab’ helfen können“, antwortet Müller. „Und vielleicht bekomm ich in zehn Jahren ja auch einmal Hilfe.“

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