Landau Allgegenwärtig und doch stets neu

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Wir schreiben das Jahr 2014. Rund ein halbes Jahrhundert nach der „sexuellen Revolution“ und der Einführung der Antibabypille auf dem deutschen Markt ist die Hemmschwelle, über Sexualität zu reden, noch immer hoch. Mit seinem „Love-Mobil“ will Pro Familia den Menschen entgegen kommen und sie vor Ort beraten.


Freitag, am frühen Abend. Die Sonne brennt auf den Landauer Rathausplatz und auf den weißen Kleinbus, vor dem orangefarbene Schirme farbliche Akzente setzen. Die Musik aus den Lautsprechern der kleinen Bühne plätschert über die wenigen Menschen, die sich auf Einladung von Pro Familia eingefunden haben. Feiern will man, dass es endlich da ist, das langersehnte „Love-Mobil“. „Für uns war das wirklich ein großes Projekt“, so Christel Helbach, Geschäftsführerin von Pro Familia Landau. Alleine hätte es das Team aus fünf Beraterinnen, alle in Teilzeit, und einer Verwaltungsangestellten, nicht geschafft. Schon deshalb nicht, weil das finanzielle Budget chronisch knapp bemessen ist. Umso größer nun die Freude. Im vergangenen Jahr hatte sich das Team bei dem Verein Herzenssache, der Kinderhilfsaktion von SWR, SR und Spardabank, beworben. „Unter 230 Anträgen wurde unserer als eines von 50 Projekten ausgewählt“, freut sich Helbach. Und jetzt steht er also da, der nagelneue Bus, der noch in letzter Minute mit entsprechenden Aufklebern versehen wurde. Mit ihm soll Sexualberatung zu den Leuten kommen. Schon lange sei es ihr Anliegen gewesen, sich gerade im ländlichen Raum auf Jugendliche und Ratsuchende zuzubewegen, statt ihnen den Weg in die Beratungsstelle zuzumuten. „Mit dem Bus ist es nun möglich. “ Wie nötig das ist, zeigt die tägliche Erfahrung. Rund 1000 Beratungen leistet Pro Familia in Landau, den Kreisen Südliche Weinstraße, Germersheim und bis nach Pirmasens und Neustadt. Die Berater erleben dabei, dass sich in Zeiten, in denen Sexualität ganz selbstverständlich als Werbemittel eingesetzt wird und der Umgang zwischen den Geschlechtern scheinbar direkt und unverkrampft ist, vieles im Argen liegt. „Sexualität scheint allgegenwärtig und wird deshalb gar nicht mehr in der Tiefe wahrgenommen. Dabei ist das Thema für jeden einzelnen immer wieder neu, wird ganz individuell wahrgenommen.“ Trotz Aufklärung, die Zahl der ungewollten Schwangerschaften ist seit Jahrzehnten gleichgeblieben. „Viele erleben das erste Mal noch immer unvorbereitet.“ Rat suchen Teenager ebenso wie Mittvierziger. So geht es in den Gesprächen auch um den unerfüllten Kinderwunsch und immer öfter um das Thema sexuelle Identität. „Aus meiner 30-jährigen Erfahrung kann ich sagen, dass dieser Bereich stark zugenommen hat.“ Um jeden gut beraten zu können, sind alle Mitarbeiter speziell geschult und verfügen über eine therapeutische Zusatzausbildung. Die Türen des Mobils sind weit geöffnet und ganz schnell auch wieder zu, wenn jemand Rat sucht. Gerne möchte Helbach vor Jugendzentren und Discos Station machen oder Schulen anfahren. Auch Behindertenwerkstätten und Wohnheime. Mit dabei haben die Berater ein großes Sortiment an Broschüren, einen Koffer voll Anschauungsmaterial zur Verhütung. Und Plüschattrappen der Geschlechtsteile. „Sie werden bei der Aufklärung von behinderten Menschen eingesetzt, leisten aber auch sonst gute Dienste“, so Helbach. Lob für dieses wichtige Engagement gab es am Freitag auch von politischer Seite. (git)

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