Lokalsport Südpfalz Fußball: Vorne „Siggi“ Hammer, hinten Lämmel – Die Völkersweilerer A-Jugend von 1970

Manfred Lämmel hat die Namen der Elf aufgeschrieben, die 1970 von sich reden machte.
Manfred Lämmel hat die Namen der Elf aufgeschrieben, die 1970 von sich reden machte.

Knappes Scheitern kann auch ein Erfolg sein. Die A-Jugend des SV Völkersweiler verlor 1970 beide Entscheidungsspiele um den Einzug in das Turnier um die deutsche Meisterschaft. Die Mannschaft spielte wohl die Saison ihres Lebens. Wer waren die Spieler? Und warum lehnte einer ein Angebot des 1. FCK ab?

50 Jahre ist es her, dass sich die A-Jugend des TuS Altrip im Finale der deutschen Fußball-Meisterschaft dem FC Hertha Zehlendorf geschlagen geben musste. Um am Finalturnier teilnehmen zu dürfen, musste sich Altrip gegen den Sieger der anderen Südwestgruppe, den SV Völkersweiler, durchsetzen. Auch wenn beide Partien mit 5:0 an Altrip gingen, die Völkersweilerer waren in dieser Saison über sich hinausgewachsen.

„Altrip war die einzige Mannschaft, die uns in dieser Saison geschlagen hat“, erzählt Völkersweilers damaliger Torwart Manfred Lämmel. „Sie waren eine Nummer zu groß für uns. Sie hatten das große Transportunternehmen Schneider als Sponsor und hatten so mehr Mittel.“

Altrip kommt mit Kaltz und Pfeiffer

Lämmel erinnert sich besonders an das Rückspiel in Völkersweiler vor 1500 Zuschauern. Der Verein stellte Tische und Stühle aus dem Sportheim zusammen, damit die Masseure des TuS ihre Pritschen aufstellen und die Spieler massieren konnten. Altrip kam mit dem späteren Europameister Manfred Kaltz und dem späterer Schalker Reinhard Pfeiffer.

Schlachtfeste nach Erfolgen

Dass Völkersweiler um den Einzug um die deutsche Meisterschaft spielte, war nicht abzusehen. Auch nicht für die Bewohner des 550-Einwohner-Dorfes. „Damit hat niemand gerechnet. Aufgrund unseres Erfolgs während der Saison sind wir immer mit einem Bus für die Fans zu Auswärtsspielen gefahren. Wenn wir Spiele gewonnen haben, haben Privatleute Sauen geschlachtet und uns eingeladen. Das war unbeschreiblich“, erinnert sich Lämmel an Siege gegen Phönix Bellheim, FV Speyer, FV Germersheim und ASV Landau. Im Entscheidungsspiel um Platz eins der Südwestgruppe besiegte der SVV die Bellheimer vor 2000 Zuschauern mit 2:1.

Lämmel, heute 66, war der Rückhalt seiner Mannschaft. Als Einziger schaffte er in dem Jahr den Sprung in die Südwestauswahl, wo er zweiter Torwart war hinter dem Wormser Rudi Kargus, der später gemeinsam mit Kaltz beim HSV auf Titeljagd ging. Mit 17 Jahren wechselte Lämmel zum SC Hauenstein und spielte zwei Jahre später beim FK Pirmasens in der damals zweithöchsten Spielklasse Regionalliga, ehe er zum ASV Landau in die drittklassige Südwestliga wechselte.

Der letzte Mann

„Ich musste als Torwart gar nicht so viel rausgehen, weil Theo Wegmann die hohen Bälle meist abgefangen hat“, sagt Lämmel über den großgewachsenen, kopfballstarken letzten Mann des SVV, genannt „Willi“ – nach dessen Vorbild, dem Schalke- und HSV-Spieler Willi Schulz. „Jeder hat sich irgendwie mit einem Verein und einem Spieler identifiziert. Der normale Name wurde im Dorf gar nicht mehr gerufen“, sagt Lämmel.

Auf rechts verteidigte Edelbert Eichberger, genannt „Elle“, der „unwahrscheinlich schnell“ die Außenbahn beackerte. Er spielte später ebenfalls kurz beim SC Hauenstein, ehe er zu Hinterweidenthal wechselte. Die Dreierkette komplettierte auf links der „Allrounder“ Heinz Braun. „Er konnte mehrere Positionen spielen. Als ich gewechselt bin, wurde er mein Nachfolger im Tor“, weiß Lämmel.

Der Sechser

Davor auf der Sechserposition habe Gottfried Erhardt jeden Gegenspieler in Schach gehalten und den ganzen Platz beackert. „Er war lauf- und zweikampfstark, ist aber auch mal mit in die Offensive gegangen“, erinnert sich Lämmel. Eine Position weiter vorne spielte Erhardts Bruder Hans, der läuferisch „ein fauler Sack“ gewesen sei, Freistöße und Eckbälle aber habe treten können wie kein anderer. „Er hat in einer Runde gut 20 Freistoßtore geschossen. Wenn wir 20 Meter vor dem Tor einen Freistoß bekamen, waren wir sicher, dass er reingeht“, sagt Lämmel über den Zehner.

Das Mittelfeld

Im Mittelfeld wurden die Erhardts unterstützt durch den aus Wernersberg kommenden Charly Dienes, der für damalige Verhältnisse technisch stark gewesen sei und auch mal einen Übersteiger eingebaut habe. „Er war zudem ein unwahrscheinliches Laufwunder, manchmal allerdings zu ballverliebt“, sagt der damalige Torwart. Das Mittelfeld komplettierte der nicht minder technisch begabte und läuferisch starke Jakob „Jax“ Stöbener, der lediglich im Zweikampf Probleme hatte.

Im Angriff

Mittelstürmer war Bernd Hammer, genannt Siggi, nach Borussia Dortmunds Siggi Held. Das „Phänomen“ knipste regelmäßig. Toptorjäger war allerdings der über die linke offensive Seite kommende Rudi Braun. „Ich habe selten einen besseren Linksfuß gesehen als ihn. Er war ein sagenhafter Fußballer“, schwärmt Lämmel vom Offensivmann, der gemeinsam mit ihm zum FK Pirmasens wechselte, sich dort gegen die etablierten Spieler aber nicht durchsetzen konnte. Sein Spitzname war „Löhr“, nach Hannes Löhr, dem Linksaußen des 1. FC Köln. Auf rechts spielte meist der vielseitig einsetzbare Hermann Braun aus Lug.

Ersatz waren unter anderem Heinz Brandenburger und der aus Gosserweiler-Stein kommende Ernie Braun, der „dort spielte, wo es gehapert hat“, Torwart war, ehe Lämmel kam, und dann zum Stürmer umfunktioniert wurde. Die beiden Silzer Hermann Schnetzer und Bernd Mandery waren Einwechseloption für die Offensive beziehungsweise Defensive.

Dreimal Training mit Hans Haber

Trainer war Hans Haber. Der Gossersweilerer war aktiver Spieler in der A-Klasse und trainierte dreimal pro Woche mit seinem Team. Vor den Spielen fuhr Spielleiter Eduard Schumacher durchs Dorf und sammelte die Spieler ein. „Er machte auch Torwarttraining und war immer dabei“, sagt Lämmel. Vorstand Otto Müller sei unter anderem dafür verantwortlich gewesen, dass der SV Völkersweiler beim Weiterverkauf von ihm, Lämmel, und Rudi Braun etwa 10.000 bis 12.000 Mark bekam und damit die Flutlicht- und die Sanitäranlagen sanieren konnte.

Lämmel bewundert heute besonders die damalige Kameradschaft des Teams: „Wir sind überall zusammen hin- und zusammen zurückgefahren. Wenn einer einen über den Durst getrunken hatte, haben ihn zwei Leute über die Schulter geworfen und mitgenommen.

Nein wegen Hellström

Lämmel entschied sich mit 25 Jahren gegen ein Angebot des 1. FCK, wo er wohl ein Jahressalär von 80.000 Mark bekommen hätte. Er wollte nicht hinter Ronnie Hellström die Nummer zwei sein. Er wurde Spielertrainer an seinem heutigen Wohnort Klingenmünster und fing an, bei Siemens als Programmierer und in der Personalabteilung zu arbeiten. „Mein Vater hat als FCKler ein Jahr lang nicht mit mir gesprochen, weil ich das Angebot abgelehnt habe“, sagt Lämmel.

Sein zweiter Bildungsweg sei ein harter gewesen, da es für ihn während der Schulzeit nur den Fußball gegeben habe: „Bei Pirmasens hatte ich im Grundvertrag eine Zusicherung von 350 Mark. Zudem gab es gegen Teams wie Homburg oder Saarbrücken auch mal 500 Mark Siegprämie. Wenn es gut gelaufen ist, hatte ich im Monat 3000 Mark plus einen Halbtagsjob in der Schuhfabrik.“ Von seinem ersten Handgeld von 10.000 Mark kaufte er sich mit 19 Jahren einen orangenen Opel Manta.

Bis auf ihn und Rudi Braun habe keiner der Völkersweiler A-Jugend später höherklassig gespielt. Viele hätten ihre Karriere in Völkersweiler beendet.

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