Kreis Südliche Weinstraße Sekt für die DDR

Eine wechselvolle Geschichte hat die Sektkellerei in Böchingen hinter sich.
Eine wechselvolle Geschichte hat die Sektkellerei in Böchingen hinter sich.

«Böchingen». In den Supermärkten dürfte es derzeit viele Familien geben, die Sekt für die bevorstehenden Weihnachtsfeiertage und Silvester kaufen. Zu gerne lassen sie zwischen den Jahren die Korken knallen, um mit dem prickelnden Getränk auf eine schöne Zeit anzustoßen. In der DDR musste jede Menge Sekt importiert werden, damit die Bürger nicht auf dem Trockenen sitzen blieben. Böchingen, wo einst der zweitgrößte Sekthersteller Deutschlands seinen Sitz hatte, kam dabei vor 50 Jahren eine besondere Rolle zu. Es war wenige Tage vor Heiligabend, als 60 Lastzüge aus Städten wie Berlin, Gera, Halle und Chemnitz in die südpfälzische Gemeinde geschickt wurden, um mit 700.000 Flaschen Sekt in die DDR zurückzukehren. Der Sektbedarf sollte für Weihnachten und Silvester gedeckt sein. Über dieses Geschäft berichtete das Pfälzer Tageblatt am 21. Dezember 1968. „Kurant“, so hieß die Sektkellerei in Böchingen damals, bevor sie später in „Schloss Böchingen“ umbenannt wurde und Mitte der 80er-Jahre von der Günther-Reh-Gruppe aufgekauft wurde, hatte den Pakt bei der vorangehenden Leipziger Messe in die Wege geleitet. Alles verlief reibungslos, Kurant-Geschäftsführer Josef Funk wurde allerdings mit den Worten zitiert: „Der Papierkrieg mit den DDR-Behörden ist schlimmer als der eines Export-Auftrages nach Feuerland. Das doppelte an Papiermengen und Zeit ist aufzuwenden wie bei vergleichbaren Lieferungen in westliche Länder.“ Der Einzige, der sich noch vage an diesen westdeutschen-ostdeutschen Handel erinnern kann, ist Oskar Neubeck aus Böchingen. Der 82-Jährige, der zunächst als Molkereifachmann tätig war, bevor er beruflich umschwenkte und zu Kurant ging, war zum Zeitpunkt des Handels Abfüllmeister in dem Betrieb. „Das hat schon einige Tage gedauert, bis der Auftrag erledigt war“, berichtet er. Pro Stunde seien damals zwischen 6000 und 8000 Flaschen fertiggestellt worden. Um zu verdeutlichen, welch eine Dimension damals solch ein Auftrag hatte, sagt Neubeck, wie viel Flaschen später stündlich abgefüllt werden konnten. „Als ich Mitte der 90er-Jahre den Betrieb verließ, konnte die Maschine pro Stunde 28.000 Flaschen abfertigen.“ Weitere Hintergründe zu der Transaktion mit der DDR kennt der Böchinger nicht. „Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass die Fahrer der Lastzüge heiß auf Kataloge von Neckermann und Quelle waren. Sie fragten alle Menschen danach. Wieso, habe ich nie erfahren“, so Neubeck. Das Geschäft mit der DDR war einmalig. Ungewöhnlich war es jedoch nicht, dass vor den Weihnachtsfeiertagen das Geschäft in der Sektkellerei brummte und die Abfüllbänder auf Hochtouren liefen. Ein Drittel des Jahresumsatzes erzielte der Betrieb in den Wochen vor Silvester, steht in dem Bericht von 1968. Karl Bauer kann bestätigen, wie hoch die Nachfrage nach Sekt für die Feiertage damals war. Der 80-Jährige, der gebürtig aus Nußdorf kommt und nun in der Landauer Innenstadt lebt, war in der Sektkellerei als kaufmännischer Angestellter tätig. „Alle großen Handelsketten haben wir von Böchingen aus mit Sekt beliefert“, erzählt Karl Bauer. Den Bürgern sei es damals gut gegangen, nach den langen Kriegsjahren sei die Nachfrage nach solchen Konsumgütern entsprechend hoch gewesen. „Die Leute wollten das genießen, worauf sie lange Jahre verzichten mussten“, erzählt Bauer, der zwischen 1959 und 1995 in der Sektkellerei beschäftigt war, die 2008 ihren Betrieb in Böchingen einstellte. Während seiner langjährigen Tätigkeit in der Sektkellerei habe es ein weiteres kurioses Ereignis gegeben, welches mit der Transaktion von 1968 vergleichbar sei. „Es war Anfang der 80er-Jahre, als Spediteure aus Polen bei uns aufschlugen. Sie hatten Unmengen an Bargeld dabei, um möglichst viele Konsumgüter für ihr Heimatland zu kaufen.“ Schätzungsweise zwei Millionen Flaschen seien damals vom südpfälzischen Dorf ins Nachbarland transportiert worden.

Der damalige Geschäftsführer der Sektkellerei Kurant, Josef Funk (rechts) und Produktionsleiter Manfred Mechtel bei der Verabsch
Der damalige Geschäftsführer der Sektkellerei Kurant, Josef Funk (rechts) und Produktionsleiter Manfred Mechtel bei der Verabschiedung der Lastwagenfahrer, die das Transportgut in die DDR brachten.
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