Kreis Südliche Weinstraße Klingenmünster: Diese Sicherheitsvorkehrungen gelten bei Freigang

Täglich dürfen zwischen 70 und 80 Personen die Forensik des Pfalzklinikums zeitweise verlassen – mit oder ohne Begleitung. Davon
Täglich dürfen zwischen 70 und 80 Personen die Forensik des Pfalzklinikums zeitweise verlassen – mit oder ohne Begleitung. Davon missbrauchen durchschnittlich vier Personen pro Jahr diese Lockerungen.

Klingenmünster: Die Polizei fahndet seit dem vergangenen Donnerstag nach einem verurteilten Mörder. Er war in der Psychiatrie in Andernach untergebracht. In der Forensik des Pfalzklinikums sitzen ebenfalls Straftäter. Zwischen 70 und 80 dieser Personen verlassen die Einrichtung täglich für eine bestimmte Zeit. Welche Sicherheitsvorkehrungen gibt es?

Die Flucht des wegen zweifachen Kindesmissbrauchs verurteilten Michael Johnson beginnt am 3. Juni 2000 mit einem Gang auf die Toilette. Der US-Bürger ist zu dieser Zeit in der Forensik des Pfalzklinikums in Klingenmünster untergebracht – dort leben psychisch kranke wie auch suchtkranke Straftäter. Wegen „guter Prognosen“, wie es damals heißt, wird sein Vollzug gelockert. In Begleitung seiner Tante darf er die Klinik regelmäßig für einige Stunden verlassen. Doch an diesem Samstag wird er nicht zurückkehren. Seine Tante meldet sich am Nachmittag bei der Polizei und sagt, dass ihr Neffe nach einem Gang aufs Klo verschwunden sei. Johnson setzt sich nach Südamerika ab, in Guatemala eröffnet er sogar mit seiner Freundin eine Bäckerei. Die dortigen Sicherheitsbehörden nehmen ihn jedoch ein Jahr später fest, ein Aushang an seinem Laden hatte einen Verbindungsbeamten auf die Spur des Sexualstraftäters gebracht. Er wird in die USA ausgewiesen, dort erhängt er sich später in einer Gefängniszelle in Florida.

Ist die Bevölkerung angemessen geschützt?

Immer wieder fliehen Straftäter aus forensischen Kliniken, meistens kehren sie, wie Johnson, nicht von einem ihrer Freigänge zurück. Das trifft auch auf Sergej Bekker zu. Die rheinland-pfälzische Polizei fahndet seit dem vergangenen Donnerstag nach dem 34-Jährigen, der wegen Mordes in der Psychiatrie in Andernach untergebracht war. Dieser Fall lässt erneut eine Frage aufkommen, die viele Menschen bewegt: Wird die Bevölkerung vor solchen Straftätern angemessen geschützt? In der Forensik des Pfalzklinikums sind derzeit rund 170 Personen stationär untergebracht, etwa 160 werden ambulant betreut, wie die Einrichtung auf Anfrage der RHEINPFALZ mitteilt. Diese Straftäter sind nicht in einem normalen Gefängnis, weil ihre Taten in unmittelbarem Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung oder einer Sucht stehen (siehe „Zur Sache“). Um welche Delikte geht es? „Patienten, die im Maßregelvollzug untergebracht sind, haben überwiegend Straftaten gegen Leib und Leben begangen, also versuchten und vollendeten Totschlag, Mord und Körperverletzungen“, heißt es. Weitere Delikte seien Sexualstraftaten, Raub und Brandstiftungen.

Anrecht auf Ausgang

Im Jahr 2001 hatte die Einrichtung damit begonnen, mehrere Millionen Euro in die zusätzliche Sicherung der Forensik zu stecken. Zum Konzept gehören beispielsweise Alarmanlagen, Kameras, ausbruchssichere Fenster und Türen sowie eine elektronische Sicherheitsschleuse. „Die Maßnahmen entsprechen den erforderlichen Richtlinien des Landeskriminalamtes“, erklärt das Pfalzklinikum. Zudem gebe es seither einen verstärkten Austausch mit den Bürgern – etwa durch die Projektgruppe „Dialog und Sicherheit“. Im Maßregelvollzug – so lautet die juristische Bezeichnung für die Unterbringung von Straftätern in forensischen Einrichtungen – sind auch Lockerungen vorgesehen. Heißt konkret: Insassen dürfen das Gebäude verlassen, mit oder ohne Begleitung Ausgänge auf dem Klinikgelände oder außerhalb unternehmen, arbeiten, sich in einer betreuten Wohneinrichtung aufhalten oder auch zeitlich befristet beurlaubt werden. Diese Lockerungen seien ein wichtiger Bestandteil der Behandlung, erklärt das Pfalzklinikum. Zwischen 70 und 80 Personen dürfen demnach täglich die Forensik in Klingenmünster verlassen. Sie sollen dadurch schrittweise wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden. Das missbrauchen im Schnitt vier Personen pro Jahr und kehren zunächst nicht zurück. Nach dem Gesetz haben diese Menschen jedoch ein Anrecht auf Ausgänge, sofern keine Sicherheitsbedenken bestehen.

Sicherheitsvorkehrungen bei Freigang

Diese Erleichterungen würden aber nicht automatisch nach bestimmten Zeitabschnitten in Kraft treten, betont das Pfalzklinikum. „Erst wenn ein Patient sich in einer Lockerungsstufe bewährt und Fortschritte in der Therapie gemacht hat, werden weitere Lockerungen gewährt.“ Zudem müsse die Staatsanwaltschaft unbegleiteten Freigängen außerhalb des Klinikgeländes ihre Zustimmung erteilen. Dafür würden außerdem entsprechende Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Diese reichten von einer Begleitung bis hin zu Hand- und Fußfesseln. Wenn ein Patient nach einem Ausflug 15 Minuten nach der vereinbarten Zeit nicht wieder da ist, wird die Polizei alarmiert. Zudem würden wichtige Entscheidungsträger des Pfalzklinikums, im Ministerium und in den Gemeinden unterrichtet, erklärt die Einrichtung.

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