Kreis Germersheim Germersheim: Katholische Pfarrei bietet neue Gottesdienstformen

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Die Männergruppe will beim Wandern Gott auf die Spur kommen.

Die klassischen Angebote der Kirche reichen vielen Gläubigen nicht mehr. Auf den spirituellen Hunger „nach mehr“ reagiert die katholische Pfarrei Germersheim mit neuen Gottesdienstformen. Außerdem kommen Männer in einer eigenen Gruppe über Leben und Glauben ins Gespräch.

Anfang September ist Thomas Bauer aus Südtirol zurückgekommen. Mit einigen anderen Männern war der Pastoralreferent der Pfarrei Germersheim auf Wanderexerzitien hoch oben in den Bergen. Dem Himmel ganz nah. „Ich bin noch ganz erfüllt“, erzählt er mit strahlendem Gesicht. Der mehrtägige Ausflug war ein Angebot aus der Reihe „Tankstelle – Leben im Glauben“. Seit Dezember 2015 treffen sich die Männer etwa viermal pro Jahr, um Gott auf die Spur zu kommen und spirituell aufzutanken. Bei Film- und Gesprächsabenden, zu handwerklichen Aktionen oder Kreuzwegwanderungen und im September erstmals zu Exerzitien in Südtirol. Spiritualität bedeute nicht, den ganzen Abend zu beten, zu singen oder die Bibel zu lesen, sagt Bauer. Was bei den Treffen passiert, sei spirituell. „Gott ist spürbar.“

Nähe zu Gott

Die Nähe Gottes spürt Stephan Weis schon sein ganzes Leben. Sein Elternhaus war religiös, er wurde als Kind Messdiener und ist mittlerweile in mehreren Gremien der Pfarrei aktiv. Der Lingenfelder gehört zu den Gründungsmitgliedern der Männergruppe. „Es gibt mir Erfüllung, mich einzubringen und mitzuarbeiten“, sagt er. An den „Tankstelle“-Angeboten schätzt er den Austausch über Glaubensfragen, die Gespräche über Gott und die Welt und die Impulse, die sie für das eigene Leben liefern. „Keiner ist gezwungen, seine Seele nach außen zu kehren“, sagt Weis. Es gibt keine Verpflichtung, auch keine konfessionellen Barrieren: „Von Anfang an war dieser Kreis ökumenisch aufgestellt. “ Aber er ist ausschließlich für Männer. Die Gespräche, die dabei entstehen, seien nicht besser, als wenn Frauen dabei wären, aber eben anders, meint Thomas Bauer. Glauben in Worte fassen – das sei gar nicht so einfach, weiß der Pastoralreferent. „Ich denke, da ist viel Hemmung da und Sprachunfähigkeit.“ Nichtsdestotrotz – so seine Erfahrung – glauben viele Menschen und suchen Orientierung und sinnstiftende Antworten auf existenzielle Fragen. Nicht alle finden sie in den klassischen Angeboten der Kirchen. Dieser spirituelle Hunger „nach mehr“ hat die „Erfüllt“-Gottesdienste innerhalb der Großpfarrei aus der Taufe gehoben. Offenheit ist vielleicht das, was diese Gottesdienste am ehesten charakterisiert. Und weniger Eucharistiefrömmigkeit. „Es gibt sehr wenige rituale Elemente“, erläutert Ulrike Kaiser. Die Lingenfelderin ist von Anfang an im Team dabei, das die Gottesdienste vorbereitet. Sie haben keine starre Liturgie, und es muss kein Pfarrer anwesend sein. „Es gibt keinen Choreographen“, sagt Kaiser. Das Miteinander sei wichtig und forme den Gottesdienst. Das kann auch mal ein „Frühstück mit Jesus“ im Hof des Pfarrheims sein. „Wir haben am Anfang selbst diskutiert, ob das Gottesdienst ist“, sagt Stephan Weis über die „Erfüllt“-Treffen. Grundelemente des Wortgottesdiensts – ein Bibelvers, ein Gebet, Gesang und die Segensbitte – seien immer vorhanden. „Nur die Formen sind freier und kreativer“, erläutert Bauer.

Bedarf an Angeboten

Der Pastoralreferent spürt zunehmend den Bedarf an Angeboten innerhalb der Kirche, die nicht den klassischen entsprechen: „Einmal hat ein Mann zu mir gesagt, er habe das ganze Pfarrblatt durchgeschaut und es war nichts dabei, was ihm zugesagt hätte.“ Aus Gewohnheit gingen die wenigsten Menschen heutzutage noch irgendwo dauerhaft hin. Auch nicht zum Sonntagsgottesdienst. „Es gibt aber viele Menschen, für die die Eucharistiefeier unheimlich kostbar ist“, betont er. Sein Team möchte nicht die klassischen Gottesdienste abschaffen oder ihnen den Wert absprechen, sondern neue Erfahrungsräume schaffen. „Oft haben wir das Gefühl, aus dem Gottesdienst rauszugehen in eine andere Welt“, schildert Ulrike Kaiser ihre Erfahrung während ihrer haupt- und ehrenamtlichen Arbeit in der Kirche. Sie ist in den 1960er-Jahren im Raum Frankfurt aufgewachsen, hat Religionspädagogik studiert und war Gemeindereferentin in einer katholischen Pfarrei, bis sie 1991 in die Pfalz zog. Danach war sie „konsumierende Christin“. Der Einstieg ins Ehrenamt kam durch die Kommunion der Kinder. Innerhalb der Kirche werde gar nicht so oft über Glauben per se gesprochen, meint die Lingenfelderin. Antworten auf Fragen, die sie bewegen, konnten die klassischen Angebote nicht immer liefern. Sie wollte mehr. Die „Erfüllt“-Gottesdienste helfen Ulrike Kaiser, eine Brücke zu schlagen zwischen Kirche, Glauben, Spiritualität und dem eigenen Leben: „Hier in der Gruppe habe ich meinen Platz gefunden.“

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