Kusel Mama-Taxis und Kampfhubschrauber

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Kusel. Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder, schießen mitunter aber übers Ziel hinaus. Überfürsorgliche Helikopter-Eltern kreisen über ihrem Nachwuchs, sorgen für Verkehrschaos vor der Schule und tragen sogar Ranzen bis ins Klassenzimmer, klagen einige Pädagogen. Die RHEINPFALZ hat bei Grundschulen im Landkreis Kusel nachgefragt: Brauchen nicht nur Kinder, sondern auch Eltern Regeln?

„Ab hier können wir alleine“ heißt es auf einem Schild in der Grundschule Wolfstein. Schulleiterin Birgit Gehm-Schmitt überlegt zunächst, bevor sie dazu sagt: „Es ist notwendig. Sonst wäre es nicht da.“ Die Botschaft sei aber kein Verbot für Eltern, sondern ein „positiver Verstärker“, erklärt sie. „Die Kinder schaffen das. Sie schaffen Schule. Das war schon immer so.“ Wieso es Eltern gibt, die ihren Kindern nicht mehr zutrauen, den Schulalltag alleine zu meistern, weiß sie nicht. Andererseits versteht die Schulleiterin auch die Sorgen: „Die Eltern vertrauen uns ihr höchstes Gut an. Das nehmen wir ernst. Wir schätzen es, dass sie uns vertrauen.“ Das Gleiche wünscht sie sich für ihre Schüler. Eltern sollten ihren Kindern mehr zutrauen, meint sie. An ihrer Schule habe sie Erstklässler, die sich innerhalb weniger Tage einlebten und ihren Alltag in der Ganztagsschule perfekt meisterten. Etwa 15 bis 20 Prozent der Eltern neigen zu extremer Überbehütung, schätzen Experten. Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, hat den Helikopter-Eltern ein Buch gewidmet. Er unterscheidet drei Gruppen. Die „Transporthubschrauber“ sorgen als „Mama-Taxis“ vor Schulgebäuden für Verkehrschaos. Die „Rettungshelikopter“ tragen vergessene Sachen hinterher – vom Pausenbrot bis zur Blockflöte. Die dritte Gruppe, die „Kampfhubschrauber“, beschweren sich ständig über Noten, Stundenpläne oder Disziplinarmaßnahmen. Wenn der Nachwuchs in die Schule geht, müssen sich auch die Eltern an die neue Situation gewöhnen. Gehm-Schmitt sagt: „Den Spagat zwischen dem, was nötig ist, und dem, was zu viel ist, müssen die Eltern lernen. Das ist wie bei Kindern: Die einen lernen besser, die anderen schlechter.“ In Wolfstein gebe es auch Eltern, die „mit Argusaugen gucken, was gemacht wird“. Sie seien aber „in verschwindender Minderheit“, so die Schulleiterin. In den beiden ersten Klassen gebe es derzeit zum Beispiel keinerlei Probleme. Denn: „Die meisten Eltern wissen, dass ihre Kinder in der Schule gut aufgehoben und versorgt sind.“ Einen ähnlichen Eindruck hat auch Simon Rühmann. Der Schulleiter der Grundschule St. Julian kennt das Phänomen der Helikopter-Eltern, empfindet es aber nicht als Dauerärgernis. Je nach Jahrgang oder Situation gebe es vereinzelt Probleme. Generell laufe es in St. Julian ganz gut. Er betont: „Man möchte ja, dass die Eltern sich engagieren und Gedanken machen um die Entwicklung des Kindes. Eltern, die sich um ihre Kinder bemühen, sind immer willkommen. So soll es ja auch sein.“ Das Problem liegt für Rühmann darin, eine Trennlinie zu ziehen zwischen gesundem Engagement und kontraproduktivem Verhalten. Wenn Kindern von den Eltern alles abgenommen werde, sagt Rühmann, könne das ihre Entwicklung hemmen. Er findet es positiv, dass nach dem Brandbrief eines Stuttgarter Schulleiters über das Verhalten von Eltern diskutiert wird. Man solle sich selbst die Frage stellen, wo man übertreibe, meint der Vater von zwei Töchtern. „Wo nehme ich dem Kind die Chance, selbst zu lernen?“ Die Leiterin der Grundschule Rammelsbach, Birgit Draudt, plädiert ebenfalls für eine Erziehung zur Selbstständigkeit statt Überbehütung. Nach ihrer Einschätzung wachsen gegenwärtig viele Kinder sehr behütet auf. Helikopter-Eltern seien aber eher Ausnahmen. Für Draudt sind die Folgen von Überbehütung problematisch. Kindern von sogenannten Helikopter-Eltern blieben eigene Entscheidungen verwehrt. Sie lernten nicht, selbstständig zu denken und zu handeln oder Probleme zu lösen. Gleichzeitig stünden die Kinder dauerhaft im Mittelpunkt und bekämen, wenn möglich, materielle Wünsche erfüllt. Die Folgen: überzogene Erwartungen an die Umwelt und fehlende Kompromissbereitschaft. „Sie tun ihren Kindern nichts Gutes mit der Überbehütung“, ist die Schulleiterin überzeugt. Einig sind sich die Schulleiter darin, dass Eltern und Schule zusammenarbeiten sollten. Probleme müssten in einem offenen und direkten Austausch angesprochen werden.

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