Hauenstein Unterwegs mit den „Rätsch-Oldies“

Die „Rätsch-Oldies“ pflegten am Karfreitag und am Karsamstag wie viele Kinder und Jugendliche den alten Brauch des Rätschens.
Die »Rätsch-Oldies« pflegten am Karfreitag und am Karsamstag wie viele Kinder und Jugendliche den alten Brauch des Rätschens.

Diese österliche Tradition hat sich in Hauenstein gehalten: Kinder und Jugendliche zogen am Karfreitag und am Karsamstag durch die Straßen, um singend und rätschend den Dienst der verstummten Glocken zu übernehmen. Und in diesem Jahr und nach der langen Corona-Pause war auch wieder eine „Seniorengruppe“ unterwegs, die morgens, zur Mittagszeit und abends das Rätschen im Ortsteil „Hinter dem Felsen“ übernahm.

Norbert Memmer hatte Anfang April nach der „gefühlt langjährigen Abstinenz“ die Initiative übernommen, das „Karfreitagsrätschen der alten stimmgewaltigen Altherren“ zu reaktivieren. Seine über die WhatsApp-Gruppe „Ave Maria“ gestellte Frage „Wer wäre dabei?“ blieb eher rhetorischer Natur, denn im Minutentakt ploppten Antworten wie „Bin debei“ oder „Do mach ich mit“ auf: Und so fand sich wieder eine stimmgewaltige Gruppe zusammen. Und mancher – der Jüngste noch nicht ganz vierzig, der Älteste hat den Sechzigsten deutlich hinter sich – hatte noch eine Rätsch aus alten Messdienertagen in seinem Fundus. Denn Messdiener waren die Rätsch-Oldies ausnahmslos. Wer keine Rätsch aus seiner Jugend gerettet hatte, konnte sich aus Norbert Memmers Fundus bedienen: Da gab’s kleine und große Rätschen, alte und nagelneue, die von einem Handwerker in Bayern besorgt wurden, solche, die gekurbelt werden, und andere, bei denen sich die Rätsch um sich selbst dreht.

Ein Frühstück zur Belohnung

Und beim ersten Singen, einem kurzen Test auf dem Penny-Parkplatz, dem Treffpunkt, merkt man: Da sind lauter geübte „Rätscher“ unterwegs, Texte und Melodie sitzen, rhythmische Holperer fallen kaum ins Gewicht. Und nach dem ersten sonoren „Ave Maria“ hallen die Rätschen durch die Straßen hinter dem Felsen. Keine wird ausgelassen. Die Reaktionen der Anwohner: Hier ein emporgestreckter Daumen am Fenster, dort ein Lob „Das esch jetzt awwer mol toll!“, hier ein mit Kinderhand und Kreide auf die Straße gemaltes Dankeschön: „Danke für das Rätschen“. Dass da einer ein lautes „Ruhe!“ aus dem Fenster bellt, das nimmt die Seniorengruppe lächelnd zur Kenntnis und singt und rätscht weiter. Ein besonderes Lob gab’s auf dem Kamm: Dort wartete ein kleines Frühstück auf die Sänger.

Frühstück gab’s nach der Morgentour, der jeweils zur Mittagszeit und am frühen Abend weitere gut einstündige Runden folgten, im Pfarrheim, wo sich auch die vielen Kinder und Jugendlichen, die den Brauch im gesamten Dorf am Leben halten, stärken konnten. „Schön, dass die Kinder die doch recht anstrengenden Touren auf sich nehmen“, lobten die Oldies die Buben und Mädchen.

Die verstummten Glocken werden ersetzt

Und das hat es mit dem Brauch auf sich: Nach dem „Gloria“ der Gründonnerstagsliturgie verstummen die Glocken für die Kartage. Nach altem Kinderglauben fliegen sie nach Rom, um erst wieder in der Feier der Osternacht zu erklingen und die Auferstehungsbotschaft in das Dorf zu tragen. Den Rätschern kommt nun die Aufgabe zu, an den Kartagen das „Angelus“-Geläut, das frühmorgens, um die Mittagszeit und am frühen Abend zum Gebet aufruft, zu ersetzen.

Seit 1949, als dieser Brauch in Hauenstein wieder auflebte, singen die Messdiener ihr „Ave Maria“ durch die Straßen. „Des Mittags Glanz erfüllet ganz die Erde weit umher, drum sei gegrüßt vieltausendmal, du Mutter unseres Herrn, Ave Maria...“, so lautet der Text des Liedes, das die Rätscher nachmittags singen. Am Morgen wird der neue Tag mit dem Vers „Die Nacht entflieht, ein Sternlein glüht…“ begrüßt und der hereinbrechende Abend mit „Der Abend sinkt, ein Sternlein blinkt…“ besungen, ehe der Refrain in die Zeile des Angelus-Gebets übergeht.

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