Kreis Südwestpfalz Raketen hätten Mitteleuropa vernichten können

Fischbach. Jahrzehntelang wurden hier nukleare Sprengköpfe für Kurzstreckenraketen gelagert. 40 Jahre lang war es für Unbefugte unmöglich, auf das 680 Hektar große Gelände des Sonderwaffenlagers zu gelangen, weil es gemäß dem Nato-Truppenstatut an die US-Amerikaner übergeben wurde. Weil dort Nuklearsprengköpfe, Artilleriegranaten, Pershing- und Lance-Raketen lagerten und die militärische Schutzzone zum Hochsicherheitslager ausgebaut wurde. 44 Kilometer asphaltierte Straßen, 201 Gebäude, 96 Bunker, darunter 19 für die „heißen Waffen“, 31 780 Meter Zaun für die drei Sicherheitszäune aus rasiermesserscharfem Nato-S-Draht, fünf Kontrolltürme, Sicherheitssensoren auf Stativen und Kieselsteine als Geräuschmelder, vier Hubschrauberlandeplätze. „Um eventuelle Eindringlinge abzufangen, die per Gleitschirm kommen, waren im gesamten Areal Stangen aufgestellt, die mit Leinen miteinander verbunden waren“, erzählt Jürgen P. Rubeck, Vorsitzender des militärhistorischen Vereins Interessensgemeinschaft „Area One“. „Die Amerikaner hatten Schießbefehl nach innen“, wegen ihres Auftrags zur Bündnissicherung und diverser Anschläge der Roten Armee Fraktion (RAF) seinerzeit auf US-Einrichtungen in Deutschland. „Daher der überdimensionale Einbruchschutz“, erklärt Rubeck, der Abteilungsleiter bei der Bundespolizei ist und früher bei der Bundeswehr in einer Lance-Einheit diente. „Was dort an Waffen lagerte, hätte ganz Mitteleuropa vernichten können.“ Die Situation sei absurd gewesen: Die Kurzstreckenraketen hätten nicht über die Grenzen Deutschlands hinwegfliegen können, sie hätten Deutschland zerstört. „Wir dürfen nicht zerstören, was wir verteidigen wollen“, sagte damals der CDU-Bundespolitiker Alfred Dregger. Dennoch war die Grundlage dafür gegeben: Die Sprengköpfe mit den Zündern lagerten in der „Area One“. Die Raketenmotoren zwei Kilometer weiter, in der „Area Two“. Nach Wiedervereinigung und Ende des Kalten Krieges verließen die US-Truppen das Gelände. Die Kernwaffen wurden nach Ramstein ausgeflogen, von dort aus in die Vereinigten Staaten. Am 19. Dezember 1994 stand das Tor der Area One plötzlich offen. Das Gelände war verlassen, gespenstisch die Atmosphäre. „Gerätschaften, bis dahin geheime Dokumente und sogar der Ereignisdrucker blieben zurück“, erinnert sich Rubeck. Dann ging alles Schlag auf Schlag. Die Sicherungsanlage und Wachtürme wurden von der Bundeswehr abtransportiert. Der Landesforst verkaufte Tore und Zäune, sprengte fast alle Bunker und deckte die Trümmer mit Erde ab. Inzwischen hat der Forst hier über 60 000 Bäume angepflanzt und hält Lichtungen offen. Dass dies hier bei den Amerikanern ein freies Gelände war, kann man sich heute kaum mehr vorstellen. Im ehemaligen Löschteich hat jemand Goldfische ausgesetzt. Der Naturschutzbund Nabu ist hier aktiv. Ein Biotop-Betreuer hat seltene Schmetterlingsarten beobachtet, auch eine Sonnenanbeterin war dabei. Das gesamte Gebiet ist heute ein Dorado für Kröten. Und für Fledermäuse, die im ehemaligen Kontrollzentrum nisten. INFO —Die Interessensgemeinschaft „Area One“ sucht Fundstücke und Fotos aus der aktiven Zeit des Depots und Menschen, die dort gearbeitet haben. Spenden sind willkommen. —Internet: www.ig-area-one.de

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