Kreis Südwestpfalz Ohne Plattensammlung in die Freiheit

Thomas Schäfer in seiner neuen Halle im Erbacher Industriegebiet An der Remise.
Thomas Schäfer in seiner neuen Halle im Erbacher Industriegebiet An der Remise.

Das 15-köpfige Team um den Malermeister Thomas Schäfer hat sich auf Industrie-Lackierungen spezialisiert. Das Unternehmen des Breitenbachers übernimmt aber auch klassische Malerarbeiten wie Verputzen und Tapezieren. Die Firma hat ihren Sitz in Homburg-Erbach. Die Erfolgsgeschichte des aus Breitenbach kommenden Unternehmers begann vor genau 28 Jahren mit einer Flucht ins Ungewisse.

Auf Breitenbacher Platt erzählt Thomas Schäfer seinen Weg vom Auszubildenden zum Unternehmer. Doch in seinem Meisterbrief, der das nüchterne Büro in der neuen großen Werkshalle im Industriegebiet An der Remise bei Homburg-Erbach ziert, steht als Geburtsort Roßlau, eine Kleinstadt bei Dessau in Sachsen-Anhalt. Dann erzählt der fast 50-Jährige seine Geschichte, die wahre Gänsehaut-Geschichte eines jungen Mannes, der im April 1989 alle sozialen Kontakte kappte, Familie, Freunde, alles hinter sich ließ, um ein neues Leben zu beginnen. Der pure Zufall ließ den damals 21-Jährigen in Breitenbach im Kreis Kusel stranden. Sein Entschluss, den Zwängen der damaligen DDR zu entkommen, war zwar durchdacht, aber dennoch planlos. Kein Mensch hätte nämlich im Frühjahr 1989 geglaubt, dass Monate später die Grenze durchlässig und der Arbeiter- und Bauernstaat seinen 40. Jahrestag nur um wenige Monate überleben würde. „Als Jugendlicher liebte ich die Songs Freddie Mercurys und war ein glühender Fan von Queen, in mir brannte dieses unbeschreibliche Fernweh“, erzählt Schäfer. Er wollte einfach raus aus diesem Staat. Dann, als frischgebackener Meister bei der Militär-Spartakiade im 800-Meter-Lauf, kam die Einladung, mit einer Delegation nach Bonn und Trier zu fahren. Und keiner habe etwas gemerkt, als der erfolgreiche Leichtathlet und junge Malergeselle, der seinen Ausbildungsabschluss mit einer glatten Eins meisterte, Wochen zuvor sein Moped verkaufte, seine Plattensammlung verschenkte und seinen kleinen Besitzstand auflöste. Ausgestattet mit 100 Verhaltensregeln und 70 D-Mark Taschengeld ging es ganz offiziell in den Westen. Dann kam die letzte Nacht in einem Hotel in Trier, die letzte Möglichkeit, aus der Perspektivlosigkeit des DDR-Alltags auszubrechen. „Im Morgengrauen schlich ich mich aus dem Haus, rannte zum Bahnhof, sprang in den erstbesten Zug, die Türen schlossen sich. Weg, nur schnell weg.“ Ohne Ziel stieg er in Homburg aus: „Ich lief aus der Stadt, hob den Daumen meiner rechten Hand und der erste Autofahrer, der anhielt, war von Breitenbach.“ Schäfer erzählte ihm seine Geschichte und nach der ersten Nacht in Breitenbach fuhren beide am nächsten Tag zur Verwaltung nach Waldmohr: „Bürgermeister Hess drückte mir 15 D-Mark in die Hand und sagte, ich solle erstmal frühstücken gehen, er erledige hier alles. Und so war es dann auch ...“ Schäfers Augen leuchten, als er von den Menschen in der Pfalz erzählt, die sich um ihn kümmerten, die ihn aufnahmen und denen er so viel zu verdanken hat: „Vielleicht war es deshalb für mich auch so einfach, nicht nur in Breitenbach meinen neuen Lebensanker zu werfen, sondern auch deren wunderbaren Dialekt so schnell zu erlernen“, schildert er im Gespräch mit der RHEINPFALZ. 13 Jahre lang arbeitete Thomas Schäfer – erst als Geselle, später als Vorarbeiter in einem Malerbetrieb in Homburg. 1997 zwang ihn ein Bandscheibenvorfall fast ein Jahr in die Knie, quasi als Reha-Maßnahme ging er auf die Meisterschule. Es folgte 2002 – mit gerade mal zwei Mitarbeitern – der Schritt in die Selbstständigkeit: „Wir lackierten Gussteile in einer kleinen Halle auf dem Gelände des ehemaligen KSB-Werks in Homburg. Nach Insolvenzen der ersten Auftraggeber konnte Schäfer neue Kunden gewinnen. Die kleine Lackiererei wurde mit zunehmenden Aufträgen einfach viel zu eng, berichtet Schäfer zurückschauend. Vor drei Jahren dann folgte der Umzug in die große, neue Halle im Westen von Homburg. Und wieder musste der Malermeister kämpfen; was er vorher nicht wusste, war, dass sein Grundstück in einem Wasserschutzgebiet liegt. Entsprechend groß waren die Umweltauflagen, die die Kosten von kalkulierten 700 000 Euro auf knapp 1,3 Millionen Euro explodieren ließen. Trotz der bösen Überraschungen, die ihn nach eigener Aussage fast in die Insolvenz trieben, sorgte Schäfer dafür, dass seine Mannschaft immer genug Arbeit hatte. Mit seinem 15-köpfigen Team, in dem alleine fünf Breitenbacher arbeiten, erwirtschaftete er 2016 einen Jahresumsatz von über 1,1 Millionen Euro: „Heute lackieren wir in drei Kabinen, unsere Auftraggeber kommen aus Kaiserslautern, dem gesamten Saarland und natürlich aus Homburg, wo ein großer Landmaschinenausstatter seine hydraulischen Steuerblöcke bei uns lackieren lässt“. Auch wenn ihm der Alltag nur wenig Freizeit lässt: Schäfer fährt gerne Motorrad, hört immer noch gerne Rockmusik und hat mittlerweile die halbe Welt bereist. Seine große Liebe fand er allerdings im saarländischen Remmesweiler, wo der „Brädebacher Bub“ heute mit Frau und zwei erwachsenen Töchtern lebt.

x