Kreis Südwestpfalz Keine Zeit zum Kochen und kein Platz zum Lagern

Sie sind typisch für die Sickinger Höhe, aber wer weiß, wie lange es sie hier noch gibt: die Grumbeere. Die Leute kaufen immer weniger Kartoffeln beim Bauern, sie können sie nicht mehr richtig lagern, und Zeit zum Kochen haben viele auch nicht mehr. Da fühlt sich für die Landwirte selbst eine gute Ernte wie dieses Jahr schlecht an. Der Verkaufspreis für die Kartoffeln ist im Keller – was aber vor allem an der guten Ernte 2014 liegt.

Schon seit fast 30 Jahren verkauft der Bauernhof Süs in Biederhausen Grumbeere an die Stammkundschaft. Der Vater von Gerhard Süs konnte vor über zehn Jahren noch drei bis fünf Zentner, gelegentlich noch mehr, an Familien verkaufen, die sie als Wintervorrat einkellerten. Heute werden Kartoffeln häufig nur noch in Fünf- und Zehn-Kilo-Säckchen gehandelt. Selten ist es ein Viertel oder halber Zentner. Ein Grund: Die Käufer können die Grumbeere immer seltener richtig lagern. Die Knollen lieben Dunkelheit, die richtige Luftfeuchtigkeit und eine konstante kühle Temperatur. Dann bleiben sie bis ins Frühjahr fast erntefrisch, erläutert Gerhard Süs. Moderne Häuser und die Mietwohnungen haben solche Lagerplätze nicht mehr, sodass die Grumbeere nur noch in kleinen Mengen gekauft werden. Der Bauer selbst muss aber die idealen Lagermöglichkeiten haben, damit er immer wieder neue Grumbeere in der richtigen Qualität liefern kann. Das Geschäft mit der Grumbeer ist deutlich mühsamer, sodass es nicht verwundert, wenn die Zahl der Grumbeere-Bauern abnimmt. Bernd Fuhrmann aus Biedershausen wird im nächsten Jahr keine Grumbeere mehr pflanzen. Damit endet eine lange Familientradition, die Vater Herbert Fuhrmann einst mit großer Leidenschaft gepflegt hat. Er hat seine Grumbeere an die Krankenhausküchen geliefert, an zahlreiche Gaststätten bis in die Saarpfalz, an Metzgereien und an Familien, die ohne die gute Grumbeer von der Höh nicht leben konnten. Hierfür gibt es eigentlich keinen Markt mehr, erläutert Süs, denn Küchen und Betriebe kaufen die Grumbeere heute fertig geschält und in Folie verpackt. Es gibt niemanden mehr, der in der Küche steht und Grumbeere von Hand schält, sodass sie frisch in den Kochtopf kommen. Dieser Wandel macht den Bauern zu schaffen, die den Grumbeereanbau noch nach überlieferter Tradition betreiben. Es ist einiges an Geschick erforderlich, um sich seinen Kundenkreis zu erhalten, selbst wenn es an der Qualität nichts zu meckern gibt. Zum größten Problem für die Grumbeere-Bauern sind die neuzeitliche Familie und ihr Arbeitsalltag geworden, wo alle bis in den späten Abend zur Arbeit gehen, sodass das Kochen mit großem Zeitaufwand unbeliebt geworden ist. Stattdessen stehen häufig Nudeln, Reis, Fertigpizza und sonstige Schnellgerichte mit wenigen Minuten Kochzeit auf dem Tisch, auch wenn sie nicht immer gesund sind. Macht man grischtliche Grumbeere, schön gebräunte Gereschte, Dotsch mit leuchtend brauner Kruste, Grumbeere-Waffele oder Abgeschmelzte, dann riecht’s im ganzen Haus, was oft nicht beliebt ist. Auf dem Bauernhof von Ralf und Peter Schneider in Knopp-Labach werden die Grumbeere schon seit Jahren direkt vom Hof verkauft. Die Sorten Quarta und Belana stehen hoch im Kurs. Mit der Quarta lässt sich fast jedes Kartoffelgericht kochen. Belana sei eine festkochende Kartoffel, die den Wunsch nach einer mehligen Grumbeer weitgehend verdrängt hat, erläutert der Junglandwirt. Die festkochende Grumbeer hat sich bei der neuen Käufergeneration ungebremst durchgesetzt, so auch die Erfahrung von Süs. Mit dem Ernteergebnis und der Qualität sind die Landwirte in Knopp-Labach so zufrieden wie die Bauern aus den Nachbardörfern. Die Grumbeere wurden selten so früh gepflanzt wie in diesem Jahr, berichten Süs, Schneider und Klaus Bößhar aus Herschberg. Schon Mitte März erfolgte die Aussaat. Anfang September war die Ernte in diesem Jahr schon vorbei. Keine Probleme gab es mit dem Grumbeere-Käfer, der fast nicht aufgetaucht ist. Das warme Herbstwetter hat aber erhöhte Ansprüche an die Lagerung auf den Bauernhöfen gestellt. Klaus Bößhar aus Herschberg hat eine größere Sortenauswahl, um die Wünsche der Kundschaft zu erfüllen. Er pflanzt neuere Züchtungen wie Annabelle, Gunda, Venezia, Marabell, Anuschka und Belana, die den Geschmack der Käufer treffen und in der Qualität nicht zu bemängeln sind. Der Bauer aus Herschberg belieferte die Edeka-Märkte in der Region und einige Gaststätten, die noch an der alten Tradition festhalten, dass die Grumbeer direkt vom Bauernhof der wahre Gaumengenuss ist. Marktbetreiber Uwe Dreßler aus Wallhalben findet es im Sinne der Kundschaft, wenn die Grumbeere stets frisch vom Bauern ins Regal kommen. Auf den Dorffesten und beim Sickinger Grumbeere-Markt zählen Schneebällcher mit Specksoß und Hoorische zu den beliebtesten Gerichten. Knepp in allen Variationen gehörten einst zum wöchentlichen Speiseplan in jedem Haus im Dorf. Beim Sickinger Mundartdichter-Wettstreit hat der ehemalige Diamantschleifer und spätere Dorfschullehrer Guido Defland aus Brücken beschrieben, was es für eine erfahrene Landfrau bedeutet, Hoorische oder Spitzbuwe auf den Tisch zu zaubern. Sein Gedicht ist eine amüsante Lobeshymne auf die Kochkunst der Mutter. Beim Mundart-Wettbewerb 1991 in der Verbandsgemeinde Wallhalben belegte er mit „Die Spitzbuwemamme“ Platz drei. Der Unterschied zwischen Spitzbuwe und Hoorische liegt in der Form, nicht im Teig. Nur eine Minderheit unter den erfahrenen Hausfrauen in unseren Dörfern machen die länglichen Spitzbuwe, die man fast mit dickeren Nürnberger Würstchen vergleichen könnte, wenn da nicht die Besonderheit beim Kochen wäre, die Defland so eindrucksvoll beschreibt. Der Mundartdichter muss selbst ein großer Genießer dieser pfälzischen Speise sein, denn nur dann fällt einem die Verwandlung im siedenden Wasser auf. Auf der Sickinger Höhe und im Zweibrücker Land ist Hoorische die übliche Bezeichnung für die Grumbeere-Knepp.

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