Kreis Südliche Weinstraße Zwischen Staatsmännern und Soldaten

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Annweiler. Bei den Vereinten Nationen zu arbeiten, das sei kein normaler Job, weiß Anna Botham-Edighoffer, die 1989 bei der Organisation einstieg, die sich für Weltfrieden, Völkerrecht, Menschenrechte, internationale Zusammenarbeit und humanitäre Hilfe einsetzt. „Man muss ein bestimmtes Engagement mitbringen und sich immer wieder verdeutlichen, warum man dort arbeitet.“ Geregelte Arbeitszeiten, ein fester Wohnsitz, das gab es für die gebürtige Annweilerin in all den Jahren nicht. Ihre Neugier auf das Leben und die Menschen hat sie in die Welt getrieben – in Metropolen und Krisenherde. Ein Leben zwischen Staatschefs und Soldaten. Nach ihrer Schulzeit in Annweiler und Landau und einer Lehre zur Apothekenhelferin zog es sie schnell in die Ferne. In Berlin studierte Anna Botham-Edighoffer Politik und Wirtschaft, bevor sie am Europainstitut in Saarbrücken europäisches und internationales Recht nachschob. In dieser Zeit kam sie über ein Praktikum mit den UN in Kontakt. „Eigentlich wollte ich lieber nach Genf, weil mein Französisch damals besser war als mein Englisch. Aber mein Professor meinte, in New York sei ich besser aufgehoben.“ So unterstützte sie den damaligen Assistenz-Generalsekretär Robert Muller im UN-Hauptquartier. Der Belgier war ein Urgestein der UN, mit Haut und Haaren dabei, mehrfach nominiert für den Friedensnobelpreis. Unter ihm wirkte Anna Botham-Edighoffer bei den Vorbereitungen des 40. Jahrestags der UN mit. Ihr Ausflug in den Big Apple blieb nicht ohne Wirkung. Noch während ihres Studiums erhielt sie ein Jobangebot von den Vereinten Nationen. „Ich hatte die Wahl zwischen Nairobi und New York“, erinnert sie sich. Da sie bereits Freunde in Amerika gefunden hatte, entschied sie sich für den Schritt über den großen Teich. Dort evaluierte sie die Programme des Bevölkerungsfonds zur Familienplanung. „Dass der Fonds auch Schwangerschaftsabbrüche unterstützte, war damals in den USA umstritten – ein politisch heißes Eisen.“ Bald ereilte Anna Botham-Edighoffer ein neues Angebot für den Logistik- und Einkaufsbereich. „Wir haben alles eingekauft, was man einkaufen kann“, sagt die Politikwissenschaftlerin schmunzelnd. Ihr erster Auftrag: Raumspray. Bald waren es Uniformen, Flaggen, IT-Ausrüstung, Munition, Helikopter, Flugzeuge. Parallel war sie im Gastro-Management, das die Restaurants und Cafés der UN betreute, Empfänge und Banketts organisierte und 150 Catering-Mitarbeiter koordinierte. Dort organisierte sie beispielsweise alles Gastronomische für den jährlichen Empfang des damaligen deutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher, den World Summit for Children der Unicef oder die UN-Generalversammlung. Das marokkanische Staatsoberhaupt habe sogar seinen eigenen „tea boy“ mitgebracht, entsinnt sie sich. Über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zu begegnen und zu lernen, dass ihre Grundbedürfnisse doch die gleichen sind, anderen Menschen zu helfen und weltweit etwas zu bewirken, das mache für sie den Reiz der Arbeit bei den Vereinten Nationen aus, sagt Anna Botham-Edighoffer. Und so führte sie ihr Weg Anfang der 1990er-Jahre in den Krisenherd des Balkans, wo der Kroatienkrieg wütete und sie in Zagreb Ausrüstung für die Friedenstruppen beschaffte. Granaten und Schüsse vor der Haustür. „Aber meine Eltern und Freunde haben sich mehr Sorgen gemacht als ich. Wenn man vor Ort ist, lebt man damit“, sagt sie rückblickend. Sie habe nicht so sehr an die eigene Gefahr gedacht, sondern sich mehr Gedanken über die dortige Bevölkerung gemacht. Zehn Jahre später, nach einer Pause für ihre Doktorarbeit über die Personalreform der UN, hatte sie die Wahl: New York oder Afghanistan. „Ich habe mich für Afghanistan entschieden.“ Nach den Anschlägen vom 11. September 2001, der darauf folgenden Invasion unter der Führung der USA und der andauernden Gewalt der Taliban ein aufgewühltes Land. Als Leiterin der Beschaffungsabteilung baute Anna Botham-Edighoffer 2003 den UN-Campus bei Kabul auf. Die Lebensumstände und die emotionalen Belastungen seien sehr schwierig gewesen, erinnert sie sich. „Wir konnten nicht alleine auf die Straße, durften nur in Gemeinschaftunterkünften wohnen. Die Mauern um das Haus waren mit Stacheldraht versehen, ein Sicherheitsdienst bewachte uns, die Fenster hatten Schutzfolie gegen Bombensplitter.“ Fließendes Wasser und Strom gab es nur sporadisch. Als wirkliches Erfolgserlebnis aus dieser Zeit hat sie in Erinnerung, wie sie junge afghanische Menschen mitziehen konnte. Ihre afghanische Assistentin, die sich anfangs nicht traute, den bestimmten Verhandlungston ihrer Chefin den afghanischen Männern zu übersetzen, brachte sie dazu. Heute lebe sie in Bonn und sei bei den UN beschäftigt. „Aber es ist erstaunlich, wie einen so eine kurze Zeit dort prägt.“ Als sie nach einem halben Jahr auf Heimaturlaub in Annweiler war, habe sie jede Frau mit Minirock angeschaut, weil sie dieses Bild nicht mehr gewohnt war. In Kabul konnte selbst die Deutsche nicht ohne Komplettverschleierung aus dem Haus. Ihre letzte berufliche Station war das Büro der Vereinten Nationen in Genf, Arbeitsplatz von rund 1600 Mitarbeitern, wo sie im Finanzbereich tätig war und später das Kommunikations- und Managementtraining leitete. Aber jetzt sei es an der Zeit, etwas anderes zu machen, sagt die 60-Jährige, die auch nach Annweiler zurückgekommen sei, um für ihre Mutter da zu sein. Und auch für andere ältere Menschen möchte sie sich einbringen und streckt gerade die Fühler nach passenden Projekten aus. Beim Stadtentwicklungsverein „Zukunft Annweiler“ ist sie bereits als Beisitzerin aktiv. Das werde jetzt alles peu a peu mehr werden. Denn noch immer pendelten sie und ihr australischer Mann, den sie in New York kennengelernt hatte, zwischen Genf und Annweiler. Aber das soll sich im Laufe des Jahres ändern. Einen anderen Plan haben die beide dagegen nach der Trump-Wahl über Bord geworfen. Eigentlich wollten sie nach Anna Botham-Edighoffers Pensionierung eine große Amerikareise machen und Freunde besuchen. „Aber jetzt nicht mehr. Vielleicht unterm nächsten Präsidenten.“

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