Kreis Südliche Weinstraße Steiniger Weg ins digitale Zeitalter

„Das Internet ist für uns alle Neuland“, sagte Kanzlerin Angelika Merkel im vergangenen Jahr und erntete dafür eine Flut von spöttischen Lachern. Für drei Gemeinden im Kreis dürfte das Internet wahrlich eine ganz neue Erfahrung sein, sollten sie denn jemals in den Genuss kommen, es so zu erleben, wie es das Gros der Menschen in Deutschland erlebt. Es ist das Jahr 2014 und ganz SÜW ist im digitalen Zeitalter angekommen. Ganz SÜW? Nein. In drei kleinen Gemeinden schleichen die Bewohner immer noch im Schneckentempo durchs weltweite Netz. Hergersweiler, Queichhambach und Gräfenhausen sind die „weißen Flecken“. Für letzteres Stadtdorf von Annweiler sollen nun endlich die Megabit-Leuchten angehen. Nach fünf Jahre andauerndem Kampf. Laut Tüv Rheinland verfügten Anfang dieses Jahres 98,2 Prozent der Haushalte im Land über Bandbreiten im Grundversorgungsniveau. Hochgeschwindigkeitsbandbreiten hatten 49,1 Prozent der Haushalte. Hochgeschwindigkeit bedeutet 50 Megabit pro Sekunde. In Gräfenhausen hat man 364 Kilobit pro Sekunde – also etwa 0,73 Prozent der Datenübertragungsrate. Das ist digitale Steinzeit. Gräfenhausen wird derzeit mit einer 1000er-Leitung von der Telekom über DSL Light versorgt, allerdings kommt nur ein Drittel der Geschwindigkeit an. „Wenn Sie einen 15-minütigen Film auf Youtube gucken wollen, können Sie damit einen ganzen Nachmittag verbringen“, berichtet Ortsvorsteherin Sonja Keßler von den langen Ladezeiten. Flyer für Veranstaltungen im Ort verschickt sie nicht per E-Mail, sondern packt sie auf einen Stick und bringt sie per pedes zu den Mitorganisatoren. Eine kleine Verbesserung gibt es für die 540-Seelen-Gemeinde seit zwei Jahren, seitdem sie die LTE-Funkstrahlen des Vodafone-Mastes aus St. Johann abfangen kann. Zirka 20 bis 30 Haushalte hätten sich Antennen auf die Dächer geschraubt und könnten nun mit zehn bis zwölf Megabit pro Sekunde surfen, so der frisch gewählte stellvertretende Ortsvorsteher Matthias Gröber. Darunter er, Sonja Keßler und die ortsansässigen Firmen wie Plöger Medien. Denn nicht jedes Haus liegt in der Funklinie und kann die Signale empfangen. Und wenn mal schlechtes Wetter ist, bricht der Funkkontakt ab. „Wie bei Span-Service Holzlogistik, die standen mal zwei Tage ohne da“, erinnert sich Keßler. „Das Ganze ist ein Zufallsprodukt, aber keine flächendeckende Versorgung. Der Großteil schaut in die Röhre“, macht Gröber klar. Denn offiziell gilt Gräfenhausen bei Vodafone als nicht versorgt. Die Bürger zahlten zwar die Rechnung für LTE, aber bei Störungen komme es immer wieder zu Problemen, weil der Ort ja eigentlich gar nicht versorgt wird, berichten die beiden. Einige hätten deswegen die Antennen auch wieder abgeschafft, sagt er. Seit 2009 versucht das Stadtdorf, mit schnellem Internet versorgt zu werden. Im April 2010 startete es eine Umfrage unter der Bevölkerung, um den Bedarf zu ermitteln. 166 der 329 Fragebögen kamen zurück – mit dem Ergebnis, Bedarf und Interesse sind vorhanden. Im März 2011 fasste die Stadt Annweiler den Grundsatzbeschluss zur Breitbandversorgung. Doch mehrere Förderanträge für Gräfenhausen wurden abgelehnt. „Einmal hieß es, die Unterlagen seien nicht komplett, einmal war das Jahresbudget des Förderprogramms aufgebraucht und einmal scheiterte es daran, dass der Antrag nicht gemeinsam mit Queichhambach gestellt werden darf“, berichtet Sonja Keßler. Denn auch das benachbarte Stadtdorf wünscht sich endlich den Einzug ins schnelle digitale Zeitalter. Bislang sei es noch nicht in der Förderrunde, aber die Stadt Annweiler habe Bestrebungen, es im Windschatten von Gräfenhausen mitversorgen zu können, so Keßler. Leerrohre für das Glasfaserkabel seien schon verlegt worden. Nun endlich schaffte es die Förderanfrage von Februar dieses Jahres, sich durch den Behördendschungel durchzuarbeiten. Im April bekam Gräfenhausen die Förderzusage der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier. Danach wurde der Auftrag öffentlich ausgeschrieben – mit dem Ergebnis Telekom als billigste Bieterin. Im Juni wurde der Förderantrag gestellt und am 29. Juni trudelte der Förderbescheid ein. 81.240 Euro wird der Breitbandausbau kosten. 52.806 Euro gibt’s als Zuschuss über den Europäischen Landwirtschaftsfonds (ELER), das rheinland-pfälzische Entwicklungs-Programm Agrarwirtschaft, Umweltmaßnahmen und Landwirtschaft (PAUL) und die Förderung zur Breitbandversorgung im ländlichen Raum. 28.434 Euro müssen an Eigenmitteln aufgebracht werden. Dafür habe die Stadt Annweiler 37.000 Euro im Haushalt eingestellt, wie Sonja Keßler berichtet. Ein Glasfaserkabel liegt bereits bis zum Hahnenbacher Hof. Von dort müsse Gräfenhausen angebunden werden, so Gröber. Dafür werde wohl entlang der Straße das Glasfaserkabel verlegt bis zu einem Knotenpunkt im Ort. Im Förderbescheid wird eine Versorgung mit bis zu 50 Megabits in Aussicht gestellt, doch das genaue Angebot der Telekom kennen die beiden noch nicht. Wann es losgeht, wissen sie ebenfalls noch nicht. Die VG sei derzeit mit der Telekom in Kontakt, um alles vorzuplanen. Bis zum 30. Juni 2015 muss jedoch alles in trockenen Tüchern sein, sonst verfällt die Förderzusage. „Jetzt liegt es am Anbieter, das Thema umzusetzen.“

x