Kreis Südliche Weinstraße Liebe und Bescheidenheit

Der 90-jährige Wilhelm Gast und seine 89-jährige Frau Anna aus Niederotterbach kennen sich schon ein ganzes Leben lang. Sie waren Nachbarskinder. Heute feiern die beiden das seltene Fest der Eisernen Hochzeit: Vor 65 Jahren haben sie sich in der katholischen Kirche in Niederotterbach das Jawort gegeben.

Gefeiert wird im großen Kreis der Familie mit sechs Kindern, zwölf Enkeln und vier Urenkeln. „Sie war ein schönes Mädel“, sagt Wilhelm Gast, den alle Willi nennen. Eine unbeschwerte Jugend haben die beiden nicht, er muss mit 18 Jahren in den Krieg, Niederotterbach wurde zweimal evakuiert. „Meine Familie war 1939 ein Jahr und einen Tag in Oberfranken und 1944 noch einmal in Weyher an der Weinstraße“, erzählt seine Frau. Während der Evakuierung in Weyher sei das elterliche Haus abgebrannt, warum wisse man bis heute nicht, sagt sie. „Es war ein schrecklicher Tag“, sagt sie – noch heute bewegt. „Ich habe sehr viel Glück gehabt“, fasst Willi Gast seine Zeit im Krieg zusammen. Dreimal wird er mit Folgen bis heute schwer verletzt. Er hätte nach Stalingrad gemusst, wenn er nicht die Gelbsucht bekommen hätte. Das Ehepaar erinnert sich auch noch gut an die Zeit nach dem Krieg. „Jeder war froh, dass es vorbei war, die Menschen sind aufgelebt, es gab einen großen Zusammenhalt“, erzählt Anna Gast. Vergnügungen gibt es für die beiden, die sich 1947 verlobt haben, damals nicht viele. „Wir hatten nicht einmal ein Fahrrad, um nach Bergzabern zu fahren“, sagen sie. 1949 wird Hochzeit gefeiert, einen Tag vor der kirchlichen Trauung im Schulhaus in Niederotterbach, in dem damals das Standesamt untergebracht war. Für die Feier wird das elterliche Haus ausgeräumt, um die Gäste unterzubringen. Eine Köchin kommt ins Haus, um unter anderem Rinderbraten und „Fläschknepp“ zuzubereiten. Das junge Paar wohnt sieben Jahre lang bei den Eltern von Willi Gast in der Hintergasse, 1958 ziehen sie ins eigene Haus in die Niedergasse. Viel Arbeit begleitet die beiden ein ganzes Leben lang. Der Ehemann, der vor dem Krieg eine Ausbildung zum Kaufmann bei Pfeiffer und Wessbecher in Bergzabern gemacht hatte, bekommt Arbeit beim Sparkassenamt in Speyer. Er muss deswegen dort wohnen, Mobilität war in dieser Zeit nicht selbstverständlich. Ab 1950 arbeitet er bis zur Rente in der Post in Bergzabern. Ab 1960 arbeitet seine Frau auch für die Post – im heimischen Wohnzimmer. Sie führt bis Ende 1982 die Poststelle in Niederotterbach und trägt die Post aus. Auch mit sechs Kindern, ohne Waschmaschine, einem großen Garten zur Selbstversorgung und „etwas Landwirtschaft“, wie Anna Gast erzählt. Später findet sie noch Zeit für ihr Hobby, die Gobelinstickerei, viele ihrer Bilder zieren das Haus. Sie ist Mitglied bei den Landfrauen, zu deren Gründungsmitgliedern sie zählt. 50 Jahre lang war ihr Mann Kirchendiener, als Rechner hat er sich im Verwaltungsrat der katholischen Kirchengemeinde engagiert. Im Gesangverein, in dem er Ehrenmitglied ist, ist er mehr als 50 Jahre dabei, 17 Jahre war er im Gemeinderat. Der Glaube spielt für beide eine große Rolle und hat ihnen in schweren Zeiten ihres Lebens geholfen. „Ohne unseren Herrgott wäre ich nicht weitergekommen“, sagt Anna Gast. Bei Meinungsverschiedenheiten immer versuchen, miteinander auszukommen ist ihr Rat für Paare. Zusammenhalten und keine hohen materiellen Ansprüche stellen, der ihres Mannes. (pfn)

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