Breitenbach Warum Wollspinnen mehr als nur ein Hobby ist

Angelika Kraft-Böhm zeigte im Bergmannsbauernmuseum, was am Spinnrad alles möglich ist.
Angelika Kraft-Böhm zeigte im Bergmannsbauernmuseum, was am Spinnrad alles möglich ist.

Gesponnen wurde am Sonntag im Bergmannsbauernmuseum. Expertin Angelika Kraft-Böhm demonstrierte, warum Wollspinnen Kunst, Entspannung, Tradition und Natur verbindet.

Mitte der 1980er Jahre, als sie während eines Irlandurlaubs auf das Wollspinnen aufmerksam wurde, hat sich Angelika Kraft-Böhm dieser Kunstform verschrieben. Am Sonntag präsentierte die Waldmohrerin ihre Kunst im Bergmannsbauernmuseum in Breitenbach. Ende der 80er hatte sie einen Volkshochschulkurs fürs Wollspinnen absolviert, um ihre Fertigkeiten weiter zu perfektionieren.

Vergleichsweise kostengünstiges Hobby

„Mit Geduld und Fingerfertigkeit ist das Wollspinnen für alle zu erlernen. Nach einem Kilo Wolle beherrscht das jeder“, befindet Kraft-Böhm und ermutigt andere, sich ebenfalls diesem Handwerk zu widmen. Obwohl sie selbst keine Kurse anbietet, ist sie Teil einer deutschlandweiten Szene von Wollfrauen, die sich dem Spinnen, Stricken, Häkeln und Weben widmen. Im Gegensatz zu vielen anderen Freizeitaktivitäten sei das Wollspinnen vergleichsweise kostengünstig.

Für das Spinnrad, das Herzstück der Wollspinnerei, müssten etwa 500 Euro investiert werden. In Deutschland finden sich nur noch vereinzelt Anbieter, die diese Räder in aufwendiger Handarbeit herstellen, wodurch jedes Stück ein Unikat ist. Die erfahrene Wollspinn-Enthusiastin Kraft-Böhm erklärt: „Aber wie das bei Hobbys eben ist, legt man sich auch gerne mal ein zweites Spinnrad oder Sondermodelle zu.“

„Man kommt in einen Gedankentunnel“

Weiterer Vorteil des Wollspinnens sind die vergleichsweise geringen Kosten für die benötigten Fasern. Angelika Kraft-Böhm verwendet eine Vielzahl von Materialien, darunter einfache Schafswolle, Hunde-Haare und speziell behandelte Fasern, die mit Seide und anderen Naturfasern versetzt wurden. „Es ist spannend und herausfordernd, mit unterschiedlichen Fasern zu arbeiten und sich auf deren Beschaffenheit einzustellen“, erläutert sie. Wollspinnen ist mehr als nur ein handwerkliches Hobby; es ist eine Quelle kreativer Entfaltung, eine Verbindung zur Natur und ein Tribut an die Tradition der Handwerkskunst. Angelika Kraft-Böhm teilt ihre Leidenschaft und die tiefe Verbundenheit zu dieser Kunstform.

„Das Wollspinnen hat etwas Meditatives“, sagt sie. „Man kommt in einen Gedankentunnel und kann gut abschalten. Bei einem spannenden Film tritt man gerne etwas schneller ans Spinnrad.“ Viele Wollspinner empfänden bei ihrem Schaffen tiefe Ruhe. Aus den von ihr selbst gesponnenen Fäden, die sie mit selbstgemachten Naturfarben einfärbt, entstehen einzigartige Stücke. Von Schals bis hin zu anderen kleinen Accessoires zeigt Kraft-Böhm ihre künstlerische Kreativität – verbunden mit traditioneller Handwerkskunst.

Industrielle Revolution als Einschnitt

Von antiken Zivilisationen wie dem alten Ägypten, Griechenland und Rom bis hin zum Mittelalter, wo es zu einem wichtigen Handwerk wurde, hat das Spinnen von Wolle eine lange Geschichte. Mit der Einführung von Spinnmaschinen und mechanisierter Produktion änderte sich die Art und Weise, in der Wolle gesponnen wurde. Und damit veränderte sich auch der Alltag, veränderten sich die Arbeitsbedingungen für die Textilarbeiter. Die industrielle Revolution läutete eine neue Ära des Wollspinnens ein, die von Effizienz und Massenproduktion geprägt ist.

In der heutigen Zeit erlebt das Wollspinnen eine Wiedergeburt. Immer mehr Menschen entdecken das Handspinnen nicht nur als ein Hobby, sondern auch als eine Form der Kunst wieder. Es geht nicht mehr nur um die Herstellung von Kleidung, sondern um die kreative Ausdrucksweise und die Verbindung zur Natur – so auch bei Angelika Kraft-Böhm. Die Wollspinnerin würde sich über Gleichgesinnte freuen, die sich der Kunst des Wollspinnens widmen. Eine solche Gruppe, so findet sie, würde mehr bieten als einen Ort des Austauschs und gemeinsamen Schaffens. Er könnte auch eine Gelegenheit sein, sich über Neuigkeiten und Interessen auszutauschen – und vielleicht sogar ein wenig zu flunkern, zu plaudern und die Herkunft des Ausdrucks „Du spinnst!“ zu ergründen.

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