Rockenhausen Mysteriöses „Rennen“ ungeklärt: Autofahrer mit 0,89 Promille büßt Fahrerlaubnis ein

Mit dem Schuldspruch war der 33-jährige Angeklagte überhaupt nicht einverstanden.
Mit dem Schuldspruch war der 33-jährige Angeklagte überhaupt nicht einverstanden.

Mit 0,89 Promille am Steuer erwischt? Das bedeutet in der Regel Geldbuße und (kurzes) Fahrverbot. Ein 33-Jähriger aber ist dafür weit härter bestraft worden. Sein Einspruch beim Amtsgericht blieb ohne Erfolg. Kurz bevor ihn die Polizei in Oberndorf gestoppt hatte, war auf der B48 ein Wagen vor der Polizei davon gerast. Ein Zufall?

„Desorientiert? Unsicher? Das gibt’s doch wohl nicht, ich glaub’s ja nicht ...“: Wutentbrannt stapfte der Mann nach dem Schuldspruch aus dem Saal. Soeben hatte ihn der Rockenhausener Strafrichter wegen Trunkenheit am Steuer schuldig gesprochen und verfügt, dass die Fahrerlaubnis des 33-Jährigen noch geraume Weile in einer Schublade der Führerscheinstelle ruht.

Ehe ihn der Zorn schüttelte, hatte der Mann – ein Wahl-Pfälzer, im Nachbarkreis Kusel beheimatet – mal kämpferisch, mal eher verzweifelt gewirkt. Nachvollziehbar, sollte er tatsächlich, wie er geltend machte, in seiner Existenz gefährdet sein. Durchaus denkbar. Nicht selten schon sind Menschen alle Felle davongeschwommen, nachdem sie zunächst ihrem Führerschein hinterher trauern mussten.

Kaum gestartet, schon gestoppt

Passiert war es Mitte Oktober: Der 33-Jährige war am Abend in Oberndorf von einer Polizeistreife angehalten worden. Gegen 22.15 Uhr war der Mann aus einer Hofeinfahrt heraus gefahren. In dem Moment stand auch schon ein Streifenwagen vor ihm: Dessen Besatzung gebot sofortigen Halt. Damit war zumindest mal eines gewiss, was für das folgende Ermittlungs- und sogar Strafverfahren gegen den mutmaßlichen Verkehrssünder von nicht unerheblicher Bedeutung sein sollte: Dem Autofahrer konnte zumindest nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe an diesem Abend eine unsichere Fahrweise an den Tag gelegt. Um das zu beurteilen, reichen ein paar Meter nicht. Da hätte der Mann schon an einer Mauer entlang schrammen müssen.

Unsichere Fahrweise ist ein Schlüsselbegriff: Wenn jemand die Spur nicht richtig hält, auffallend langsam fährt, nicht flüssig vorwärts kommt, gilt das bei Polizei und Strafverfolgern als Indiz dafür, dass ein Verkehrsteilnehmer nicht voll fahrtüchtig ist. Über die Ursache sagt das zwar noch nichts. Zumindest aber ist der Eindruck, jemand bewege sich unsicher durch die Straßen, für Polizeibeamte stets Grund genug, einmal genauer hinzuschauen. Denn meist sind es ja eben doch Alkohol oder sonstige berauschende Mittel, die die Fahrtauglichkeit einschränken. Im Übrigen: Wer völlig übermüdet Auto fährt, macht sich ebenfalls strafbar.

Zuvor am Abend: Auto rast über die B48

Weil der Mann aus der privaten Zufahrt heraus aber nur ein paar Meter weit gekommen ist, kann eine unsichere Fahrweise kaum Anlass für die Polizeistreife gewesen sein, ausgerechnet diesen Fahrer näher unter die Lupe zu nehmen. War es auch nicht: Vielmehr waren die Beamten auf der Suche nach jemandem, wie bei der Gerichtsverhandlung klar wurde: Gesucht wurde nämlich nach dem Fahrer eines Fahrzeugs, das zuvor am Abend in halsbrecherischem Tempo über die Bundesstraße gerast war.

An der B48 in Mannweiler-Cölln habe es eine Standkontrolle gegeben, berichtete ein Polizist, der als Zeuge Rede und Antwort stand. Ein Kleinlaster habe beim Anblick der Kontrollstelle das Weite gesucht, sei Richtung Alsenz gerauscht. Zwar sei noch die Verfolgung aufgenommen worden, dies aber erfolglos geblieben. Den Fahrer habe man nicht genau sehen, nicht mal mehr das Kennzeichen ablesen können. Die Polizei fuhr die Strecke ab – nichts. Die Vermutung lag nahe, dass der Unbekannte irgendwo unterwegs abgebogen war und sich verborgen hielt.

Fahrzeug passt ins Suchschema

Eine Streife klapperte Seitenstraßen ab – und stieß auf den 33-Jährigen. Er kam den Beamten nun verdächtig vor. Weil er zum Beispiel gesagt habe, er sei eben erst losgefahren. „Aber die Radkasten haben gedampft“, schilderte der Polizist eine Beobachtung. Vor allem aber: Der Pritschenwagen, den die Beamten vor sich sahen, der habe exakt ins abendliche Suchschema gepasst. Ein solches Fahrzeug sei es gewesen, dass zuvor von der Kontrollstation weggestaubt sei. „Vom Typ her hätt’s gestimmt“, sagte der Polizist.

Der Autofahrer hatte jedenfalls Alkohol getrunken. Wenig, wie er gleich einräumte. Bei der folgenden Personenkontrolle soll er nun desorientiert gewesen sein, soll im Auto herumgesucht und nichts gefunden haben. Er habe sich auch gegen das Fahrzeug gelehnt und nicht sicher auf den Beinen gewirkt. Die Polizei bot ihm einen Atemalkoholtest ab, der Mann aber winkte ab. Eine Blutprobe war fällig.

Gegen Strafbefehl Einspruch eingelegt

Ergebnis: 0,89 Promille. Ein Wert, der noch klar unterhalb der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit liegt. Von einer relativen Untüchtigkeit ist ab 0,5 auszugehen. Wer mehr hat, begeht noch keine Straftat: Es liegt „nur“ eine Ordnungswidrigkeit vor. Erst wer 1,1 Promille hat, macht sich einer Straftat schuldig. Erst dann wird es richtig unangenehme: Geldstrafe und Führerscheinentzug sind die Regel.

Bei Ordnungswidrigkeiten gibt es „nur“ ein Bußgeld und ein Fahrverbot, bei Ersttätern ist das ein Monat. Bei dem 33-Jährigen allerdings war die Staatsanwaltschaft von einer Straftat ausgegangen. Dem war das Gericht gefolgt, das einen Strafbefehl erlassen hatte. Gegen den wiederum hatte der Mann Einspruch eingelegt. Zwingende Folge war die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht.

Keinerlei Beweise für Teilnahme am „Rennen“

Obwohl der Mann Erklärungen parat hatte für das, was die Beamten seiner Ansicht nach fehlinterpretiert hatten: Richter Lukas Tschoepke gelangte zu einem Schuldspruch. Der 33-Jährige muss noch mindestens ein halbes Jahr warten, bis er seine Fahrerlaubnis neu beantragen kann.

Ob der Mann aber nun auch derjenige war, der zuvor rasend die Flucht vor der Polizeikontrolle angetreten hatte? Mit dieser Frage hat sich das Gericht in der Hauptverhandlung erst gar nicht mehr beschäftigt. Offenbar war man davon ausgegangen. Denn: Zunächst war der 33-Jährige sogar eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens bezichtigt worden. Dafür aber hatten offensichtlich doch die Beweise gefehlt: In die Anklage hatte dieser Sachverhalt keinen Einzug mehr gefunden.

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