Kreis Kusel Hobby, Beruf, Leidenschaft

Bei den Jagdhornbläsern ist Werner Bürthel (links im Bild) noch heute aktiv.
Bei den Jagdhornbläsern ist Werner Bürthel (links im Bild) noch heute aktiv.

Werner Bürthel ist viel herumgekommen und hat noch viel mehr erlebt: Menschen und Orte kamen und gingen, Erfahrungen wurden gemacht und so manches Erlebnis leider auch wieder vergessen. Die Musik aber, sie blieb. Eine nimmerstille, treue Begleiterin, die ihn vom Kindesalter an die Hand nahm und bis heute führt – ein Menschenleben lang. Inzwischen ist er 86. Und immer noch aktiv. Federführend.

Dort, wo der Herrmannsberg seinen gewaltigen Schatten auf den Welchbach wirft, zwischen Elzweiler und Altenglan, liegt Welchweiler. Die Hauptstraße beginnt bereits außerorts. Einzelne Gebäude sind hier zu finden, die verstreut an der Landesstraße 368 stehen. Das letzte dieser versprengten Häuser steht immer noch einige 100 Meter vom gelben Welchweilerer Ortsschild entfernt. Eine saubere, weiße Fassade, ein gepflegter Kleingarten – unscheinbar und bescheiden. Hier wohnt Werner Bürthel zusammen mit Ehefrau Inge. Im Wohnzimmer sitzt Bürthel auf seinem Lieblingsstuhl. Aus den Fotografien an den Wänden lächelt die Familie herab: Kinder, Enkel und Urenkel. Daneben hängen Anerkennungen, Plaketten und andere Erinnerungsstücke, die stumm von einem langen Lebensweg zeugen, der wie aus einer Autorenfeder entsprungen scheint. Eine dieser Tafeln zitiert den Forstmann und Schriftsteller Oskar von Riesenthal, mit der ersten Strophe seines Gedichtes „Waidmannsheil“. „Den Vers sollte jeder Jäger kennen“, findet Bürthel. Die Jagd aber ist nur ein kleiner Ast eines hochgewachsenen, weit verzweigten Lebensbaums mit Notenblättern an fast allen Enden. Denn Musik ist sein Hobby, sein Beruf, seine Leidenschaft. Als Sohn eines Musiklehrers wächst der gebürtige Rammelsbacher in der Zeit des Nationalsozialismus auf. Musikalisches Verständnis wird ihm in die Wiege gelegt. „Als 14-Jähriger war ich kaum aus der Schule, als der Einberufungsbefehl vom Militär kam“, erinnert sich Bürthel. Der Gendarm klingelte zweimal, will ihn an die Front holen. Bürthel ist nie zu Hause anzutreffen, versteckt sich – sein Glück. Sonst wäre er heute nicht hier, erzählt er. In der Nachkriegszeit ist der Bedarf an Ablenkung groß – Unterhaltungskünstler sind gefragt. Gemeinsam mit seinem Vater findet er als Akkordeonspieler in einem Zirkus Arbeit. Doch die Arbeitsbedingungen sind schlecht, auch Verpflegung und Bezahlung lassen zu wünschen übrig. Nur ein Jahr später packen die beiden ihr Bündel. Es beginnt eine erlebnisreiche Zeit. Bürthels Vater meldet seinen 15-jährigen Sohn an einer Musikschule an. Er lernt Trompete spielen, wird Mitglied einer Tanzkapelle, geht als Instrumentenbauer in die Lehre und trägt auf etlichen Veranstaltungen zum Unterhaltungsprogramm bei. Auf dem Gallusmarkt bekommt die Tanzkapelle eine Anfrage, auf der Welchweilerer Kerwe aufzutreten. „Welchweiler? Wo liegt das, fragte ich mich damals“, erzählt Bürthel lächelnd. Mit dem Fahrrad geht es in den Ort im Schatten des Herrmannsbergs, wo er seine jetzige Frau kennenlernt – die zweite große Liebe. Als reisender Musikant ist Bürthel weiterhin viel unterwegs, regional und später auch über die Grenzen von Rheinland-Pfalz hinaus. 1952 schließen Werner und Inge Bürthel den Bund fürs Leben. Im Gespräch mit der RHEINPFALZ öffnet der Musiker eine Mappe mit wichtigen Dokumenten. Eines davon: ein Glückwunschschreiben von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur eisernen Hochzeit aus 2017. „Umherziehen und Musik machen und eine Frau zu Hause – das hält keine Ehe auf Dauer aus“, sagt Bürthel. Auf Dauer halten konnte sie auch, weil der Zufall ihm damals in die Hände spielt. An der Kreismusikschule Kusel wird eine Stelle frei. Sein Vater, der Mitbegründer ist, verschafft ihm diese. Bürthel wird einerseits sesshaft, andererseits aber auch nicht. Denn sein guter Ruf eilt ihm voraus. Als Musiklehrer unterrichtet er an Schulen im ganzen Landkreis. 1955 tritt er dem Rammelsbacher Musikverein als Trompeter bei, leitet das Mandolinenorchester in Langweiler und eine eigene Kapelle, das Werner-Bürthel-Sextett. „Wann war ich mal daheim?“, überlegt er laut. An einem schicksalhaften Tag im Jahr 1970 spricht ihn ein alter Jugendfreund an. Die Jagdhornbläser brauchen einen Hornmeister. „Ein Hornmeister ist so etwas wie ein Dirigent. Im Gegensatz zum Vorstand, dem Obmann, wird der aber nicht gewählt, sondern ernannt“, erklärt Bürthel. Der Musiklehrer reagiert damals zurückhaltend, doch der Jugendfreund ist hartnäckig. „Werner, ich weiß, dass du das kannst“, drängt er. Aus diesem unausgereiften, vorsichtigen Interesse sind inzwischen 47 Jahre geworden. Und immer noch ist Werner Bürthel dabei. Obwohl auch er dem Alter Tribut zollen muss. Seit fünf Jahren habe er Probleme mit den Zähnen, erzählt er, und gesunde Zähne seien das A und O für einen Bläser. Aber ein Ende sei noch lange nicht in Sicht. „Schluss ist erst, wenn ich die Augen nicht mehr aufmache. Außerdem wollen die mich nicht gehenlassen“, sagt er mit einem verschmitzten Lächeln. Bürthels größte Sorge gilt der Zukunft der Musikvereine, die sich zusammenschließen müssen, um zu überleben, und doch immer kleiner werden. Immerhin: Für sein musikalisches Erbe ist gesorgt: Drei Kinder und vier Enkel hat er – sie alle treten in seine Fußstapfen und geben ihr Wissen an die nächste Generation weiter. Was unterrichten sie wohl? Musik natürlich!

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