Kusel Nur eine Gastwirtschaft fehlt

„Ruhig und Neunkirchen, dass passt irgendwie zusammen“, ist sich die neue Ortsbürgermeisterin Lilli Niebergall sicher – aber nur was die Wohnqualität betrifft. Das Dorfleben hingegen ist voller Aktivitäten und gar nicht ruhig oder langweilig.

Neunkirchen. Am Südostabhang des Potzbergs, dem König des Westrichs, liegt Neunkirchen. 461 Einwohner und rund 100 US-Amerikaner wohnen in dem idyllisch gelegenen Dörfchen. Max Rübel, der Vorgänger von Lilli Niebergall, wartet schon am Startpunkt des RHEINPFALZ-Dorfspaziergangs: „Bei uns trefft mer sich am Bushäusje“, erklärt er prompt. Los geht’s. In der Finkenbergstraße befindet sich die Grundschule. „Obwohl die Schule schon 20 Jahre alt ist, wird sie immer noch die neue Schule genannt. Auch die zwei alten Schulhäuser – aus den Jahren 1824 und 1865 – gibt es noch, die sind aber in Privatbesitz“, meldet sich Jan Fickert zu Wort. Im komplett barrierefreien Gebäude drücken Kinder aus Neunkirchen, Föckelberg, Ober- und Niederstaufenbach und Bosenbach die Schulbank. Gelegentlich allerdings wird die Konzentration der Schüler durch den Blick auf den Potzberg beeinträchtigt. „Hier fand früher immer die große Kerwe statt“, zeigt Lilli Niebergall auf den großen Platz vor dem Kindergarten unweit des Schulgebäudes. „Die Jakobskerwe war im kompletten Landkreis bekannt“, erinnert sich Jürgen Neu an den damaligen Höhepunkt im Dorfleben. 1954, kurz nach dem „Wunder von Bern“, sei sogar Horst Eckel als frisch gebackener Fußball-Weltmeister zu Gast gewesen. Auch wenn der alte Glanz der Jakobskerwe etwas verblasst ist, wird seit vier Jahren im kleineren, familiären Rahmen nahe dem Jungendtreff gefeiert. Das Dorfleben, stellen die Begleiter klar, bestehe nicht nur aus der Kerwe. Rübel verweist unter anderem auf den Sport-, Landfrauen- und Potzbergverein sowie den Berg- und Talchor, der kürzlich mit den Grundschülern das Projekt „Auf den Spuren der Wandermusikanten“ durchgeführt hatte. Alle zwei Wochen trifft sich neuerdings eine Boule-Gruppe, im vierwöchigen Rhythmus werden Wanderungen organisiert. „Es wird viel gemacht, um das Dorfleben aufrecht zu erhalten. Man muss aber auch hingehen“, mahnt Ortsbürgermeisterin Niebergall auf dem Weg zur Bergwiesenstraße. Der Tross muss zuvor jedoch zahlreiche Stufen überwinden. „Es gibt viele Querverbindungen der Straßen, um die Wege kürzer zu machen“, sagt Rübel lachend. Doch die Anstrengung lohnt sich. „Von meiner Terrasse hat man die schönste Aussicht“, spricht Heike Heinz eine spontane Einladung aus. Je nach Blickrichtung ist das Reichenbachtal oder der älteste Siedlungspunkt im Ort zu erkennen. „Parallel zur Straße verläuft der Rosenweg – ein wirklich schöner Wanderweg“, wirbt Rübel auch für die touristische Seite des Dorfes. „Wir müssen auf jeden Fall noch zur Unionskirche“, sagt Niebergall. Auf dem Weg dorthin berichtet sie, dass in Neunkirchen noch immer zwei hauptberufliche Landwirte aktiv sind, bei denen sogar die Nachfolge geklärt ist. Die meisten Einwohner allerdings pendeln zur Arbeit in Richtung Kaiserslautern, Homburg und Kusel. Auch zum Einkaufen muss man den Ort verlassen. „Zweimal täglich fährt ein Bäckerauto bei uns durch, ein Lebensmittelladen ist nicht mehr rentabel“, gibt Niebergall zu. „Hier hab’ ich früher mit meinen Kindern Nüsse gesammelt“, stellt Jürgen Neu am Anna-Groß-Brunnen fest. Dieser wurde 1984 aus Stiftungsgeldern der Namensgeberin errichtet und ist von großen Haselnussbäumen umgeben. „Hier wird noch ein Tisch aufgestellt, da der Platz im Sommer von vielen Dorfbewohnern als Entspannungsort genutzt wird“, sagt Rübel. Schräg gegenüber befand sich einst die „Erdfeder“, eine alte Gastwirtschaft, weiß Fickert. Dort fanden früher viele Konzerte und Feiern statt. Eine Gastwirtschaft, sind sich alle einig, wäre eine Bereicherung. Über den Kirchweg gelangt die Gruppe zur Unionskirche, der der Ort seinen Namen verdankt. „Das komplette Gelände ist ein Naturdenkmal“, sagt Rübel. Vor der Kirche ragt eine alte Linde in die Höhe. Sie ist mit einem Alter von 500 Jahren der älteste Zeitzeuge des Ortes. Leider ist der Baum krank, ein Teil der Krone musste abgeschnitten werden. Die Kirche, erbaut im Jahr 1825, ist Ausdruck der Pfälzischen Kirchenunion von 1818, in deren Verlauf die Lutheraner und Reformierten zusammengelegt wurden. „Noch heute erinnert ein gotisches Spitzbogenfenster an die alte, mittelalterliche Kirche“, verweist Jan Fickert auf die Kapelle aus der Zeit der Reformation. Das Schmuckstück der Unionskirche befindet sich jedoch im Innern. „Die Orgel wurde 1784 vom Meisenheimer Orgelbauer Philipp Daniel Schmitt gebaut“, ergänzt Fickert. Schräg gegenüber befindet sich das derzeit unbewohnte Pfarrhaus. „Wir hoffen, dass nächstes Jahr die Stelle besetzt wird“, sagt Niebergall. Im vergangenen Jahr wurde im Innenhof des 1719 erbauten Hauses der Weihnachtsmarkt ausgerichtet. „Das war eine herrliche Atmosphäre“, schwärmt Rübel. Durch den Pfarrgarten gelangt die Gruppe zum Jugendheim. Dort treffen sich alle vier Wochen Bürger zur Kontaktpflege – bekannt auch als „Treff bei Kirchens“. Bei einem kühlen Getränk endet in diesem neuen Dorfzentrum im historischen Dorfkern auch der RHEINPFALZ-Dorfspaziergang. (hlr)

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