Kreis Germersheim Rechte Szene hofft auf „Kandel-Effekt“

Demo-Aufruf auf der Facebook-Seite von Marco Kurz. Mehrfach im Bild die ehemalige Landauer AfD-Stadträtin Myriam Kern, die immer
Demo-Aufruf auf der Facebook-Seite von Marco Kurz. Mehrfach im Bild die ehemalige Landauer AfD-Stadträtin Myriam Kern, die immer wieder vor der Kandeler Verbandsgemeinde-Verwaltung demonstriert.

Hintergrund: Für Sonntagnachmittag sind in Kandel wieder zwei Demonstrationen geplant. Hintergrund ist die Tötung der 15-jährigen Schülerin durch ihren Ex-Freund, einen afghanischen Flüchtling. Aber die wirklichen Beweggründe der Organisatoren liegen offenkundig ganz woanders.

«Kandel.» Bei der Kundgebung von „Gegen Rassismus in der Südpfalz“ – hier ist auch die Antifa Mannheim involviert – liegen die Dinge ganz einfach: Sie ist die Reaktion auf eine zuvor angekündigte Demonstration eines „Frauenbündnisses Kandel“. Während die Anmelder vom „Frauenbündnis“ 150 bis 200 Teilnehmer erwarten, erwarten die Organisatoren der Gegenkundgebung nur 60 bis 90 Demonstranten. Diesen Veranstaltungen sind ein abendlicher „Schweigemarsch“ am 2. Januar und eine samstägliche NPD-Veranstaltung vorangegangen. Während die NPD-Kundgebung mit einem Dutzend Teilnehmern völlig bedeutungslos blieb, nahmen am „Schweigemarsch“ laut Polizei rund 400 Menschen teil. Unter ihnen befanden sich neben arglosen Kandelern auch offenkundig Angehörige der rechtsextremen Szene.

Rechtsextreme Polit-Strategien

Neben bekannten Einzelfiguren war vor allem die organisierte Karlsruher Szene deutlich vertreten. Etliche Gespräche, die während dieses „Schweigemarsches“ geführt wurden, drehten sich um rechtsextreme Polit-Strategien, um die angebliche Mitschuld der Familie des Opfers (!) oder um die Frage, wie die Diskussion um die Pläne für eine Ditib-Moschee in Karlsruhe optimal für die eigenen Zwecke genutzt werden könne. Bindeglied zwischen diesem „Schweigemarsch“ und der für Sonntag geplanten „Frauenbündnis“-Demonstration ist ein Marco Kurz aus Mannheim. Die Demo am 2. Januar hatte er angemeldet, am Sonntag ist er als Veranstaltungsleiter benannt. Aktiv ist er ansonsten vor allem auf Facebook. Im Netz tauchte Kurz zuerst als Gründer der Initiative „Der Marsch 2017“ auf. Das Facebook-Projekt wollte eine Bürgerbewegung sein, mit dem Ziel, im Jahr 2017 einen Marsch von 500.000 Bürgern nach Berlin zu organisieren, um die Bundesregierung zum Rücktritt zu veranlassen.

Problem mit öffentlichem Erziehungswesen

Danach sollte eine nicht von Kurz organisierte „Verfassungsgebende Versammlung“ die Macht übernehmen. Wie die Reichsbürger hält Kurz die Bundesrepublik Deutschland offenbar für ein nicht legitimiertes Konstrukt der Besatzungsmächte. Regieren will diese „Verfassunggebende Versammlung“ mit einem Wust von schon 2016 formulierten „Sofortmaßnahmen“. Ein Beispiel sei zitiert: „Schließung der Jugendämter und Beurlaubung der Mitarbeiter, Überprüfung der Sachlagen, Rückführung der Kinder in die Familien, Hausarreste für alle beteiligte Mitarbeiter. Temporäre Schließung aller Universitäten, Schulen, Kindertagesstätten (...)“. Hier hat jemand offensichtlich ein Problem mit dem öffentlichen Erziehungswesen. Die „Verfassungsgebende Versammlung“ will aber auch Parteien verbieten und ihre Spitzen verhaften, Medien enteignen und Chefredakteure verhaften, Banken schließen und ihre Vorstände und Aufsichtsräte verhaften, die Grenzen schließen und nur noch geprüfte Lebensmittel durchlassen, sogenannte „Chem-Trails“ verbieten... Der „Marsch 2017“ kam allerdings nicht zustande, der Versuch, Ortsgruppen – unter anderem in Karlsruhe – zu gründen, versandete kläglich.

Absichtliche Eskalation

Erst nach der Tötung der jungen Kandelerin tauchte Kurz wieder auf, wohl in der Hoffnung auf einen in Teilen der politischen rechten Szene erwarteten „Kandel-Effekt“, dank dessen sich in Westdeutschland eine Protestkultur ähnlich der in den neuen Bundesländern etablieren soll. Ähnlich wie schon AfD-Politiker – zum Beispiel AfD-Kreisfraktionsvorsitzender Franz Siarsky (wir berichteten) – eskaliert Kurz die Auseinandersetzung und zielt auch auf Einzelpersonen wie den Kandeler Verbandsbürgermeister Volker Poß (SPD). Unter dessen Foto schreibt Kurz: „Uns ist bekannt, dass in Kandel Verkupplungstreffen eingerichtet wurden und dort über das wahre Alter der ,jungen Männer’ trotz besseren Wissens, hinweggesehen wurde. (...) Wir kennen auch einige Namen dieser Beteiligten. Dies wird aktuell im Hintergrund bearbeitet.“ Wer da was „im Hintergrund“ gemacht hat, weiß außer den Beteiligten im Moment noch niemand. Allerdings hat Poß mittlerweile wegen Drohungen gegen sich und seine Familie sowie gegen eine Mitarbeiterin der Verbandsgemeinde Anzeige erstattet.

Offen Lehrerin angegangen

Nicht im Hintergrund, sondern ganz offen wurde eine Lehrerin angegangen, die am 2. Januar mit bunten Regenschirmen an einer Mahnwache teilgenommen hatte. Damals kam es zu Rangeleien. Weil die Frau auf Facebook nach Zeugen suchte, kam auch Kurz auf ihre Spur. Er kündigte auf Facebook an, Schulleitung und Landrat über ihre seiner Meinung nach unzulässigen Aktivitäten informieren zu wollen. Sie hat mittlerweile einen Anwalt eingeschaltet und geht privatrechtlich gegen Kurz vor. Kurz versucht unterdessen, seine Aktionen vor Ort in Kandel zu verankern. Ob der Name „Frauenbündnis Kandel“ aber hält, was er verspricht, darf bezweifelt werden. Am Mittwoch machte Kurz den ersten Rückzieher: Nicht jede Mutter und betroffene Kandelerin sei „eine gute Rednerin, oder traut sich auf eine Bühne. Aus diesem Grunde wird die Demo am Sonntag voraussichtlich auch durch diverse, aus mehreren Richtungen Deutschlands anreisende Rednerinnen unterstützt“.

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