Kreis Germersheim „Merkel gehört zu uns. Und ihr auch – mit eurem Hass“

Plakat gegen Intoleranz.
Plakat gegen Intoleranz.

«KANDEL.» Als „Putzfrau von der Welschterrasse“ hat der Neustadter sich am Samstag gegen 14 Uhr im Schatten der Georgskirche eingerichtet. Er baut auf den Schutz der Kirche, die auf einem Streifen um das Gebäude das Hausrecht hat. Hinter sich hat er einen beschrifteten Bettüberzug aufgehängt: „Merkel gehört zu uns. Und ihr auch - mit eurem Hass.“ Gemeint sind damit die Demonstranten der AfD-gesteuerten Plattform „Kandel ist überall“. Sie wollen sich um 15 Uhr auf dem Marktplatz treffen. Als Putzfrau verkleidet will der Mann ein zweites Transparent malen. Falls es brenzlig wird, hofft er auf den Schutz der weltlichen Macht: Die Polizei auf dem Marktplatz weiß Bescheid. Aber soweit erkennbar, wird der Mann nicht belästigt. Bis 15 Uhr füllt sich der Marktplatz nur zögerlich. Die baden-württembergische AfD-Landtagsabgeordnete Christiane Baum wird von vier schwarz gekleideten Beschützern begleitet. Etwa 1000 Menschen - überwiegend Männer - stehen laut Polizei am Ende vor dem kleinen Leih-Anhänger mit Werbeaufdruck einer Versicherungsagentur in der Südpfalz, von dem aus Versammlungsleiter Torsten Frank die Demonstranten begrüßt. Sein Hauptanliegen: Heute soll alles friedlich bleiben. „Das letzte Mal wurd’ mehr über – ich sage mal – gesteuerte Vorgänge berichtet“, sagt Frank und will damit wohl sagen, dass die Angriffe der Hooligans aus der AfD-Demo Anfang März eine Inszenierung waren – von wem auch immer. Aber dann kündigt Frank schon die „Myriam, die Stimme aus Kandel“ an. Gemeint ist Myriam Kern, die Ex-AfD-Stadtdrätin aus Landau. Sie gibt das Motto der Demo aus: „Heute verteidigen wir unser Grundrecht auf Meinungsfreiheit.“ Die Menge quittiert dies mit dem Sprechchor: „Widerstand!“ Kern fällt ein, spricht dann vom „Widerstandskampf“ und „unseren toten Kindern“, die Demonstranten rufen „Merkel muss weg!“ und „Volksverräter!“. Einige 100 Meter und drei Polizeiketten weiter stößt unterdessen vor der Verbandsgemeindeverwaltung der Zug der Antifa auf die Zwischenkundgebung des bürgerlichen Bündnisses „Wir sind Kandel“. Hier bleibt alles ruhig, im Antifa-Aufzug sind viele junge Frauen. Aber als dann ein Antifa-Block versucht, in Richtung der „Überall“-Demo durchzubrechen, fliegen Böller, werden Polizisten verletzt: die Beamten müssen kurz durchgreifen. Die von der AfD-Abgeordneten Baum angeführte Demonstration hat während dessen ohne Zwischenfälle die Hauptstraße passiert. Alle Schaufenster bleiben heil – obwohl in den meisten das „Kandel ist bunt“-Plakat des Vereins für Handel und Gewerbe hängt. Zurück auf dem Marktplatz erwartet die Demonstranten Musik: Aus dem protestantischen Gemeindehaus dringt während der Abschlussreden durch gekippte Fenster im Obergeschoss laute Musik: Erst internationaler Pop, dann „Schneeflöckchen, Weißröckchen“. Danach setzt auf dem Glockenturm ein etwas verfrühtes, aber langes Abendläuten ein. Auf dem Weg zu ihren Autos müssen die Mitstreiter der AfD-Frauen teilweise weite Umwege gehen. Denn die zentrale Bahnhofstraße ist blockiert. Dort hat die Polizei einen Teil der Antifa-Demonstranten festgesetzt.

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