Interview Die neue Gleichstellungsbeauftragte mag keine Ungerechtigkeit

Die Gleichstellungsbeauftragte Bibiche Ulrich arbeitet eng mit Verbandsbürgermeister Volker Poß zusammen.
Die Gleichstellungsbeauftragte Bibiche Ulrich arbeitet eng mit Verbandsbürgermeister Volker Poß zusammen.

Seit Oktober 2022 ist Bibiche Ulrich als neue Gleichstellungsbeauftragte der Verbandsgemeinde Kandel aktiv. Sie arbeitet in der Verwaltung als Sozialarbeiterin, hauptsächlich zur Unterstützung von Zuwanderern.

Ihre vielen guten Kontakte sind eine gute Voraussetzung für die neue Aufgabe, ebenso wie ihre Biografie, die von Durchhaltevermögen zeugt. Bibiche Ulrich kam erst als 15-Jährige aus dem Kongo nach Deutschland, musste hier die Sprache lernen, was sie zunächst als „sehr schwer“ empfand. Doch dann hat erst sie die entsprechenden Schulabschlüsse nachgeholt, um danach zwei Ausbildungen zur Erzieherin und zur Altenpflegerin zu absolvieren. Anschließend schloss sie noch ihr Studium zur Sozialarbeiterin ab. Mit der RHEINPFALZ sprach sie über ihre neue Aufgabe.

Frau Ulrich, was waren Ihre Hauptgründe, sich für diese Aufgabe zu bewerben?
Ich hasse Ungerechtigkeit und ich wünsche, dass alle Menschen gleich und gerecht behandelt werden. Trotzdem war ich mit dieser Bewerbung natürlich unsicher, doch meine Kollegen der Sozialabteilung bestärkten mich, „Bibi, du machst das, wir helfen dir“.

Sie sind in engem Kontakt mit Ihrer Vorgängerin Melanie Löhle. Was hat sie Ihnen besonders an Herz gelegt?
Wir müssen rausgehen, viele Möglichkeiten zu Begegnungen nutzen, Hemmungen über Gewalt und Ungerechtigkeit zu reden abbauen.

Wie machen Sie auf ihre Arbeit und Hilfe aufmerksam, und umgekehrt, wie erfahren Sie von Problemen?
Wir bereiten gerade den Internationalen Frauentag am 8. März vor. Regelmäßig gehe ich in Schulen und Kitas, und ich pflege gute Kontakte zur den Ortsbürgermeistern und Organisationen. Es gibt offene Sprechstunden und ich bin telefonisch immer zu erreichen.

Wie können Sie bei Problemfällen konkret helfen? Gehen Sie auch anonymen Hinweisen nach?
Zunächst ist immer das Gespräch ganz wichtig, ich versuche die Wurzel des Kummers zu finden, und danach haben wir hier in Kandel ein gutes Netzwerk. Da arbeite ich als Wegweiser, auch durch die Bürokratie. Es gibt das Sozialamt, das Frauen- und Familienzentrum und das Familienbüro Bella. Und wir arbeiten zusammen mit der AWO, den Kirchengemeinden und Ortsbürgermeistern und vielen helfenden Mitbürgern. Anonymen Hinweisen gehe ich sehr wohl, aber auch sehr diskret nach. Zum Beispiel frage ich zunächst eher in Schulen oder Kitas nach Auffälligkeiten.

Was sind die häufigsten Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen in unserer Gesellschaft? Neben Belästigung von und Gewalt gegen Frauen gibt es ja auch Rassismus, und zunehmend hört man von Altersdiskriminierung.
Weiterhin am häufigsten ist die Ungleichbehandlung von Frauen und Gewalt gegen Frauen. Altersdiskriminierung ist einfach nur dumm. Wir müssen doch das Fahrrad nicht neu erfinden. Ich habe hier einen älteren Kollegen, den nenne ich „Mr. Google“, der weiß einfach ungeheuer viel, das ich nutzen kann, das mir Mühe erspart.

Denken Sie, dass vieles in unserer Zeit schon besser geworden ist – erkennen Sie gesellschaftliche Veränderungen?
Ich hoffe es ganz gewaltig; man kann es nicht in Zahlen messen, sicher werden Frauen selbstbewusster. Gleichzeitig gibt es neue Aufgaben, weil durch die Zuwanderung aus vielen Nationen auch andere kulturelle Hintergründe zu betrachten sind.

Es gibt sicher sehr berührende Erfahrungen, die man nicht vergisst.
Ja, einfach nicht verstehen und vergessen kann ich, wenn eine Frau immer wieder Gewalt erfährt und danach trotzdem wieder zum Partner zurückkehrt.

Wie schützen Sie sich vor sehr schlimmen Eindrücken und vor schweren Schicksalen, die an Sie herangetragen werden?
Abschalten kann und muss ich bei meiner Familie, meinem Ehemann und meiner zehnjährigen Tochter. Das ist meine „Tankoase“. Ich habe ein Ritual; wenn ich zuhause in Munchhausen/Elsass ankomme, ziehe ich den Hausanzug an, und damit lege ich die Probleme des Tages ab.

Eigentlich sind viele Ihrer Hilfen meist nur „Reparaturen“ – wie muss sich die Politik, die Gesellschaft aufstellen, – wer ist in der Pflicht, dass wir demokratischer, gewaltfreier und freundlicher miteinander umgehen?
Grundsätzlich hören wir vor lauter negativen Nachrichten nicht mehr die guten Signale, dass wirklich so viele Menschen, „Helden in Kandel“ für gute Sachen kämpfen. Wir brauchen Herzenswärme, alle müssen freundlich miteinander umgehen. Ein Lächeln, eine Nachfrage, „wie geht’s dir?“ Das kann trübe Tage erhellen, so wie auch ein kleines Licht in einer dunklen Ecke hell leuchten kann.

Kontakt

Bibiche Ulrich, Verbandsgemeinde Kandel, Gartenstraße 8. Telefon 07275 960128, Mobil 0159 04240189, Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen 08000 116 016.

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