Kreis Germersheim Bulgaren bewachen Depot des US-Militärs

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Flucht und Migration sind keineswegs Phänomene der Gegenwart: Auch in den 1950er Jahren gab es in Germersheim bereits eine beachtliche Anzahl von Neubürgern. Damals waren es Bulgaren, die im US-Depot als Wachmannschaften eingesetzt waren.

Die Zuwanderung möglich gemacht hatte „Uncle Sam“, dessen Streitkräfte im Oktober 1951 auf einem ausgedehnten Gelände bei Germersheim ein Depot für nicht mehr benötigtes Kriegsgerät eröffnet hatten. Zur Erledigung der Wachdienste entlang der weitläufigen Anlage war man bald schon auf der Suche nach entsprechenden Wachmannschaften. So wurde im September des Jahres 1951 bereits ein amerikanischer Offizier beim Leiter der für Westdeutschland zuständigen Zweigstelle des bulgarischen Zentralkomitees, Georgi Neoff, in München vorstellig. Er erklärte, auf der Suche nach geeigneten Männer für den Wachdienst in amerikanischen Militäreinrichtungen in der Pfalz zu sein. Damals gab es konkrete Pläne, „in dem großen Materiallager in Germersheim eine bulgarische Kompanie aufzustellen“. Während sich im Herbst 1951 nur wenige Bulgaren, die infolge des Zweiten Weltkriegs entwurzelt worden waren und nun nicht mehr in ihr mittlerweile unter kommunistischer Vorherrschaft stehendes Heimatland zurückkehren konnten oder wollten, in der Bundesrepublik aufhielten, gab es jedoch größere Gruppen in Italien, Griechenland und der Türkei. Daher flog die US-Luftwaffe bereits im Jahr 1952 90 Bulgaren aus Italien in die Pfalz ein, mit denen der Grundstock für die wenige Jahre später (1956) bereits auf 165 Mann angewachsene bulgarische Wacheinheit im US-Depot gelegt wurde. „Heute sind die Bulgaren gerne gesehene Gäste in Germersheim“, fasste die RHEINPFALZ im Frühjahr 1956 in einem Beitrag unter dem Titel „Eine bulgarische Siedlung in der Pfalz?“ die Entwicklung jener Jahre zusammen und fuhr fort: „Einige haben sogar mit deutschen Frauen einen Hausstand gegründet, mehrere haben Geschäfte oder arbeiten bei der BASF. Für die Amerikaner sind sie wertvolle Hilfskräfte.“ Hilfskräfte, von denen man in Zeiten, in denen Bedeutung und Lagerkapazitäten des Depots beständig wuchsen, offenbar noch mehr benötigte, so dass im Frühjahr 1956 eine weitere bulgarische Wacheinheit aufgestellt werden sollte. Schützenhilfe leisteten nun die in Germersheim lebenden Bulgaren, die nach dem Bericht der RHEINPFALZ „alle Hebel in Bewegung setzten, die auf etwa 500 Personen geschätzten Gruppen ihrer Landsleute aus Italien, Griechenland und der Türkei in die Pfalz zu bringen“. Da sich das amerikanische Hauptquartier erbot, für die gesamten Umsiedlungskosten, Unterkunft und Verpflegung aufzukommen und auch die notwendigen Arbeitsplätze in seinen Militäreinrichtungen zur Verfügung stellte, stand der Einwanderung praktisch nichts mehr im Weg, zumal der Präsident des Landesarbeitsamtes bei einer Unterredung mit den US-Streitkräften den Zuzug der Bulgaren „auf Einzelarbeitsnachweis“ vorab durchgewinkt hatte. Hinzu kam 1956 noch ein anderer Aspekt: Da die Dauer der Beschäftigung bei der US-Army zur damaligen Zeit für die bulgarischen Wachmannschaften noch ungewiss war, reifte außerhalb des Depotzauns der Gedanke, diese Arbeitnehmer bei einem Ausscheiden aus dem Dienst der Amerikaner in den Industriebetrieben der Region zu beschäftigen. Daher machte man sich bei der Arbeitsverwaltung im damaligen Wirtschaftswunderland Deutschland bereits lebhaft Gedanken darüber, Schulungs- und Umschulungslehrgänge für Bulgaren einzurichten, in denen Deutsch, kaufmännischer Unterricht, Maschinenschreiben wie auch Grundausbildungslehrgänge in den einzelnen Handwerkssparten angeboten und die Teilnehmer fit für den bundesrepublikanischen Arbeitsmarkt gemacht werden sollten. (lh)

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