Wörth/Germersheim Bahnstreik: Endstation Germersheim

Am Bahnhof in Germersheim warten die Züge. Wohin sie fahren werden, ist nicht immer ganz klar.
Am Bahnhof in Germersheim warten die Züge. Wohin sie fahren werden, ist nicht immer ganz klar.

Seit Mittwoch streiken die Lokführer bei der Deutschen Bahn. Mit sechs Tagen ist es einer der längsten Streiks in der Bahngeschichte. Auch die Südpfalz ist betroffen. Bei den Fahrgästen ist am ersten Tag Improvisationskunst gefragt. Es gibt Verständnis, aber auch ärgerliche Reaktionen. Und für manche ist es gar ein Glückstag.

„Vielleicht kommt mein Zug ja doch!“ Es gibt einige Bahnkunden, die sich am Mittwochmorgen auf den Weg zum Bahnhof gemacht haben, in der Hoffnung, dass ausgerechnet ihre ausgewählte Linie nicht vom Streik betroffen sein könnte. Die Lokführergewerkschaft GDL hatte zu einem sechstägigen Ausstand der Lokführer bei der Deutschen Bahn aufgerufen. Der Startschuss fiel in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch um 2 Uhr, enden soll der Streik am Montagabend, 29. Januar, um 18 Uhr. Dass davon auch die Südpfalz massiv betroffen sein würde, war so angekündigt.

Doch Sadie hat sich davon nicht abschrecken lassen. Die junge Frau hat sich auf den Weg zum Wörther Bahnhof gemacht. „Ich habe einen wichtigen Termin in Neustadt. Ich bin auf die Bahn angewiesen“, sagt sie. Natürlich hat sie sich vorab informiert. „Die Bahn-App sagt mir, dass mein Zug um 9.16 Uhr nicht kommt. Aber ich hoffe einfach, dass er doch fährt. Schließlich fallen ja nicht alle Züge aus.“ Alle zwei Stunden sollte eine Regionalbahn von Neustadt über Landau nach Karlsruhe verkehren, so die Auskunft der Bahn. Natürlich gilt dies auch in umgekehrter Richtung.

Auf Zugverkehr angewiesen

Überhaupt keine Züge fahren dagegen auf den Linien von Winden nach Bad Bergzabern und Wissembourg sowie von Wörth nach Lauterbourg. Davon betroffen ist Patrick Bonn. „Ich wohne in Berg und fahre normalerweise immer mit dem Zug“, sagt er. An diesem Morgen hat er einen dringenden Arzttermin in Jockgrim. „Ich bin froh, dass ich diesen Termin bekommen habe, den kann ich nicht so einfach absagen.“ Also hat er sich auf die Suche nach Alternativen gemacht. „Ich habe zunächst überlegt, mit dem Bus nach Kandel zu fahren, aber von dort fährt auch kein Zug nach Wörth.“

Bonn sagt, dass er durchaus Verständnis für die Forderungen der Lokführer habe. „Die sollen mehr verdienen und auch bessere Arbeitsbedingungen bekommen – aber so allmählich reicht es“, sagt er. Gleich sechs Tage zu streiken, sei dann doch ein bisschen viel. Die Bürger würden aufgefordert, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, aber dann erwarte sie ein schlechtes Angebot. „Wie kann es sein, dass der Zug hier in Wörth ankommt und gleichzeitig die S-Bahn auf dem Nachbargleis wegfährt. Kann man das nicht aufeinander abstimmen? Ich muss dann 20 Minuten auf die nächste S-Bahn warten“, nennt er ein grundsätzliches Problem. Und jetzt auch noch die ständigen Streiks. Aber immerhin: Auf die Stadtbahn ist an diesem Morgen Verlass. Bonn schafft es rechtzeitig nach Jockgrim zu seinem Arzttermin. „Wie ich aber wieder nach Hause komme, weiß ich nicht“, sagt er,

Keine Einschränkungen bei der Stadtbahn

Laut Auskunft der Albtal-Verkehrsgesellschaft (AVG) gibt es keine Ausfälle auf den Linien S5 und S51, die zwischen Wörth und Karlsruhe unterwegs sind, aber auch beispielsweise Jockgrim ansteuern. „Alles, was wir mit eigenem Personal bei der AVG fahren können, läuft heute wie angekündigt regulär“, teilt Pressesprecher Michael Krauth auf Anfrage mit. Der Bahnstreik habe nur unerwartete Auswirkungen auf der Strecke zwischen dem Bahnhof Durlach und dem Karlsruher Hauptbahnhof gehabt, da das dortige Stellwerk im Bereich des Hauptbahnhofs am Vormittag bestreikt wurde. Dies hatte zur Folge, dass die Linien S31/32 für mehrere Stunden nur bis zum Durlacher Bahnhof verkehren und nicht in den Hauptbahnhof einfahren konnten.

Dass wenigstens die S-Bahnen rollen, freut deren Fahrgäste, kann das Tagesgeschäft von Manuel Koch aber nicht retten. Koch betreibt die Gaststätte im Wörther Bahnhof. „Heute hatte ich bisher drei Gäste“, erzählt er kurz vor 12 Uhr. So etwas habe er noch nicht erlebt. „Normalerweise wird bei Streiks ein Schienenersatzverkehr eingerichtet, aber heute ist noch kein einziger Bus gefahren. Das verstehe ich nicht.“ Dass ihn der Streik viele Gäste kosten würde, war ihm selbstverständlich klar. Deshalb seine Gaststätte geschlossen zu lassen, ist für ihn keine Option. „Ich öffne jeden Tag“, kündigt Koch an.

Taxi als Rettung

Im Germersheimer Bahnhof schauen Ralph Majer und Arne Felber abwechselnd auf ihre Smartphones und auf die Anzeigetafel. Beide sind in Mannheim mit dem Ziel Karlsruhe in den Zug gestiegen und nun in Germersheim gestrandet. Die Männer haben sich vorher nicht gekannt, doch nun verbindet sie eine Art Schicksalsgemeinschaft. „Ich fahre regelmäßig mit dem Zug und nutze dafür auch die Bahn-App“, erzählt Felber. Die App funktioniere in der Regel sehr gut. „Sie hat mir heute Morgen angezeigt, dass meint Zug bis Karlsruhe fahren würde.“ Doch dem ist offenbar nicht so.

Die kurz zuvor aktualisierte Anzeige verwirrt eine Frau, die nun Majer und Felber um Rat fragt. „Nein, der Zug fährt nicht nach Karlsruhe, sondern zurück nach Mannheim“, erklärt Majer. Anschließend soll er – so verspricht es zumindest die leuchtend blaue Anzeigetafel – über Heidelberg, Wiesloch-Walldorf, Bruchsal nach Karlsruhe-Durlach fahren. „Das heißt: Ich bin mindestens noch mal zwei Stunden mit dem Zug unterwegs“, rechnet Felber vor. Die anvisierte Ankunftszeit in Karlsruhe versinkt im Meer der Unmöglichkeit. Majer und Felber suchen nach Alternativen. Vielleicht das Taxi? Aber das wird sicher teuer. Am Ende entscheidet sich Felber für die zeitintensive Zugvariante: „Obwohl ich nicht sicher sein kann, dass der Zug auch tatsächlich bis nach Karlsruhe fährt.“ Majer entscheidet sich für die sicherere Option: Er ruft sich ein Taxi.

Ein Taxi muss Sadie in Wörth nicht nehmen. Zwar kommt ihr Zug nach Neustadt nicht, aber sie findet jemanden, der sie mit dem Auto mitnimmt. „Ich habe das Gefühl, heute ist mein Glückstag“, freut sie sich.

Endstation Germersheim: Einige Reisende strandeten am Mittwoch unerwartet am Bahnhof in Germersheim.
Endstation Germersheim: Einige Reisende strandeten am Mittwoch unerwartet am Bahnhof in Germersheim.
Die Stadtbahnlinien S5 und S51 zwischen Wörth und Karlsruhe fahren ohne Einschränkung.
Die Stadtbahnlinien S5 und S51 zwischen Wörth und Karlsruhe fahren ohne Einschränkung.
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