Kreis Germersheim Aufbahrung: Toten noch einmal ins Gesicht schauen

Ganz Brasilien trauert um Pelé: Die Aufbahrung des dreifachen Weltmeisters wird zum nationalen Ereignis.
Ganz Brasilien trauert um Pelé: Die Aufbahrung des dreifachen Weltmeisters wird zum nationalen Ereignis.

Fußball-Legende Pelé wurde im Stadion des FC Santos aufgebahrt, Papst Benedikt XVI. im Petersdom in Rom. In beiden Fällen nahmen Hunderttausende Abschied von den Verstorbenen. Lassen sich auch weniger prominente Menschen aufbahren? Oder ist dieser Brauch nicht längst überholt?

Das Aufbahren der Toten hat in der katholischen Kirche eine lange Tradition. Gemeint ist damit natürlich nicht, dass die Verstorbenen zu Pilgerstätten für die breite Öffentlichkeit werden, wie dies bei Pelé, Papst Benedikt oder der Queen der Fall war. Vielmehr geht es darum, den Toten daheim aufzubahren, damit sich die Familie und Freude verabschieden können. Aber dieser Brauch ist aus der Mode gekommen, eine Aufbahrung ist hierzulande eher unüblich.

Diesem Eindruck widerspricht Anuschka Karakas vom Bestattungsunternehmen Mächerle mit Niederlassungen in Wörth und Kandel: „Wir haben tatsächlich immer mehr Aufbahrungen. Das hat zuletzt wieder deutlich zugenommen.“ Karakas schätzt, dass mittlerweile 60 Prozent der Verstorbenen aufgebahrt würden. „Es liegt sicher auch daran, dass wir den Hinterbliebenen dazu raten“, sagt Karakas. Das würden alle Bestatter so handhaben.

Aufbahrung daheim 36 Stunden erlaubt

Früher war es üblich, dass den Verstorbenen ein Sterbebett bereitet wurde, an dem sich Verwandte und Freunde von ihnen verabschieden konnten. Das gibt es heute so nicht mehr. Nach dem rheinland-pfälzischen Bestattungsgesetz darf ein Leichnam bis zu 36 Stunden daheim aufgebahrt werden. Auch wenn der Tod in einem Krankenhaus oder Pflegeheim eingetreten ist. Voraussetzung ist, dass der Leichnam nicht infektiös ist.

Aufbahrungen zuhause sind aber eher die Ausnahme. Auch in Leichenhallen oder Kapellen ist das so nicht möglich. Zumeist werden für die Aufbahrung des Verstorbenen die Abschiedsräume genutzt, die die meisten Bestattungsunternehmen anbieten. „Wir wissen, wie wichtig es für viele Menschen ist, ihren Angehörigen oder Freund noch einmal zu sehen oder berühren zu können“, schildert Karakas ihre Erfahrungen. Es wird in diesen Fällen ein Termin ausgemacht, an dem Verwandte und Bekannte, die ja oft auch weiter entfernt leben, noch einmal für vielleicht zwei Stunden zusammenkommen, um Abschied zu nehmen.

Aufbahrung ein katholischer Brauch

„Der Verstorbene wird dann noch einmal schön zurecht gemacht, vielleicht in seinen Lieblingskleidern“, sagt Karakas. In diesen Fällen greift man auf die sogenannte Thanopraxie zurück, was im Prinzip eine moderne Variante der bereits im Alten Ägypten praktizierten Technik der Einbalsamierung ist. Der Thanopraktiker ist eine Spezialisierung des Bestatters. Seine Aufgabe ist die ästhetische und hygienische Versorgung des Toten. Dazu gehören neben reinigenden, desinfizierenden und konservierenden Arbeiten auch kosmetische Behandlungen. Der letzte Eindruck vom Verstorbenen ist für die Trauernden ganz wichtig.

Die Aufbahrung der Toten ist historisch betrachtet ein katholischer Brauch. „Die Konfession spielt keine Rolle“, sagt dagegen Anuschka Karakas. „Wir haben ebenso viele Protestanten wie Katholiken, auch Konfessionslose lassen ihre Angehörigen aufbahren.“ Theologisch betrachtet geht es beim Aufbahren aber um mehr als nur ums Abschiednehmen von einer geliebten Person. Der christliche Glaube sieht ja den Tod nicht als absolute Grenze des Lebens, vielmehr erwarten Christen im Tod die Vollendung ihres Lebens. Die Aufbahrung gibt auch die Möglichkeit eines persönlichen Gebets für den Verstorbenen.

Tod noch immer ein Tabuthema

Der Tod sei immer noch ein Tabuthema in der Gesellschaft, meint Pastoralreferent Thomas Jäger von der Pfarrei Heilige Vierzehn Nothelfer in Kandel. „Die meisten Angehörigen stehen dem Tod hilflos gegenüber, sind nicht darauf vorbereitet, von einem geliebten Menschen Abschied zu nehmen“, sagt Jäger. Bei Aufbahrungen der Verstorbenen zuhause oder in den Abschiedsräumen bei den Bestattern seien die Seelsorger in der Regel ja nicht dabei, aber solche Rituale seien sicher ganz wichtig. Offene Särge in Leichenhallen, so wie sie früher einmal üblich waren, gebe es heute nicht mehr. „Aber auch hier ist es für viele Menschen wichtig, dass wir noch einmal ein gemeinsam ein persönliches Gebet für den Verstorbenen sprechen“, betont Jäger.

Auch Pfarrer Stanislaus Mach von der Pfarrei Heilige Vierzehn Nothelfer kann bestätigen, dass sich bei der Trauerbewältigung in jüngster Zeit ein Wandel vollzogen hat. „Ich denke, das hat auch viel mit Corona zu tun“, sagt Mach. Die Menschen hätten in dieser Zeit weniger Kontakt miteinander gehabt. Angehörige in Krankenhäusern oder Pflegeheimen hätten gar nicht oder nur sehr eingeschränkt besucht werden können. „Wir haben in der Pfarrei darauf reagiert, indem wir am Ende jedes Monats einen Abschieds- oder Gedenkgottesdienst für alle in diesem Monat Verstorbenen veranstalten. Das wird sehr gut angenommen“, sagt Mach.

Die fehlenden Kontakte, aber auch der Umstand, dass Freunde oder Verwandte oftmals nicht in der Nähe lebten, sieht Mach als einen Grund dafür an, dass es wieder mehr Aufbahrungen gebe. „Das ist für die Psyche wichtig. In der ersten Phase der Trauer sind die Gefühle so groß, da kann es helfen, auf diese Art Abschied zu nehmen.“ Für die Hinterbliebenen sei es auch ganz wichtig, einen Ort für ihre Trauer zu haben. „Wenn die Asche eines Verstorbenen irgendwo verstreut wird, dann suchen die Hinterbliebenen oft einen Ort an dem sie trauern können, ein Grab gibt es ja nicht. Das ist für die Trauerbewältigung ganz schwierig.“

Benedikt XVI. wurde im Petersdom aufgebahrt, die Regel dafür gibt das Protokoll des Vatikans vor.
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