Wochen-Spitzen Überstunden? Geschenkt

Mehr Geier Sturzflug als Phönix aus der Asche.
Mehr Geier Sturzflug als Phönix aus der Asche.

Na, diese Woche schon mal auf die (Stech-)Uhr geschaut? Wie viele Überstunden standen da? Und wie viele davon sind unbezahlt? Oder schaffen Sie etwa nur gerade so viel, wie Sie müssen? Es geht auch anders.

Die Welt, Europa, Deutschland, Rheinland-Pfalz, die Pfalz sowie die Südpfalz und folglich auch der Kreis Germersheim sind im Krisenmodus. Um welche Krisen es sich handelt, ist hinlänglich bekannt. Aber statt den Kopf in den Sand zu stecken und zu verzweifeln, klotzen die Bürger dran. „Ja, ja, ja, jetzt wird wieder in die Hände gespuckt“, scheinen sie sich vorzusingen, allerdings um, anders als die für das Lied verantwortliche Band Geier Sturzflug in ihrem Namen impliziert, wie Phönix aus der Asche sich zu erheben und das Bruttosozialprodukt zu steigern. Wie haben das die Bürger im Kreis Germersheim gemacht? Durch Mehrarbeit. Durch teils unbezahlte Überstunden. Das geht nach Mitteilung der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) aus dem „Überstunden-Monitor“ des Pestel-Instituts hervor, den dieses im Auftrag der NGG erstellt hat. Demnach wurden im Kreis GER von insgesamt rund 956.000 Überstunden im vergangenen Jahr 572.000 Arbeitsstunden zum Nulltarif geleistet.

Ist dieser Fleiß-Pegel nun hoch oder nicht? Nun, in einer vom Pestel-Institut zur Verfügung gestellten Tabelle unter anderem mit 36 Städten und Kreisen in Rheinland-Pfalz, in der die Städte Mainz, Ludwigshafen und Koblenz an der Spitze stehen, belegt der Kreis Germersheim Rang 11 – oberes Mittelfeld also. Mit einigem Abstand folgen der Kreis SÜW (679.000 Überstunden, davon 406.000 unbezahlt) und die Stadt Landau (510.000/310.000).

Auf Nachfrage der RHEINPFALZ beim Pestel-Institut ist auch zu erfahren, dass die Anzahl der (unbezahlten) Überstunden bundesweit seit Jahren sinkt: von 2,06 Milliarden Überstunden insgesamt, davon 1,22 Milliarden unbezahlte im Jahr 2008 auf 1,29 Milliarden Überstunden insgesamt, davon 702 Millionen unbezahlte im Jahr 2022. Wobei sich der Trend durch Corona nochmals verstärkt habe. Lagen die Rückgänge vor der Pandemie im einstelligen Bereich oder vereinzelt um die zehn Prozent, so lagen sie 2020 um die 20 Prozent. Im Folgejahr war zwar ein geringfügiger Zuwachs zu verzeichnen, der wurde aber durch den Rückgang im vergangenen Jahr fast wieder aufgezehrt. Also wohl doch eher Geier Sturzflug als Phönix aus der Asche.

Ein nach Ansicht der Gewerkschaft „pikantes Ergebnis aus dem ’Überstunden-Monitor’: Alle Beschäftigten zusammengenommen haben den Unternehmen im Landkreis Germersheim durch unbezahlte Mehrarbeit rund 8,24 Millionen Euro quasi ’geschenkt’.“ Laut Pestel-Institut betrug der Mehrwert für die Betriebe im Kreis SÜW 5,8 Millionen Euro und in der Stadt Landau 4,4 Millionen Euro. Allerdings, so NGG, seien die Summen äußerst niedrig ausgefallen, da sie „nur auf Mindestlohn-Basis“ gerechnet worden seien. Außerdem sei der Überstunden-Berg auch ein Gradmesser für den „massiven Fachkräftemangel“.

So hätten allein in Hotels, Restaurants und Gaststätten die Beschäftigten im Landkreis Germersheim im vergangenen Jahr rund 12.000 Überstunden geleistet. 5000 davon ohne Bezahlung – also „fer umme“, so das Pestel-Institut (allerdings auf Hochdeutsch). Als Basis für ihre Berechnungen dienten den Pestel-Leuten nach eigenen Angaben „aktuelle Mikrozensusdaten“; zudem hätten sie im Auftrag der Gewerkschaft Branchen-Durchschnittswerte auf die Beschäftigungsstruktur im Kreis Germersheim übertragen.

Mit Blick auf die Überstunden warnt die NGG Pfalz: Hotellerie und Gastronomie könnten nicht dauerhaft auf die „Goodwill-Überstunden“ ihrer Beschäftigten bauen. Vielmehr sei es höchste Eisenbahn, das von Corona noch vergrößerte Fachkräfte-Loch zu stopfen. Womit? Keine Frage: mit Geld natürlich. Hotels und Restaurants müssten dazu bereit sein, „attraktive Löhne zu bezahlen“, sonst ließen sich junge Menschen nicht für eine Ausbildung gewinnen.

So erlebe das Gastgewerbe gerade einen regelrechten Fachkräfte-Schwund und einen Mini-Job-Schub, sei es in der Küche, im Service, an der Hotelrezeption oder an der Bar. Denn die Branche versucht laut NGG, fehlende Fachkräfte immer häufiger durch angelernte Beschäftigte zu ersetzen. Mittlerweile seien 59 Prozent der Gastro-Beschäftigten im Kreis Germersheim Mini-Jobber. Und das schmeckt den Gewerkschaftern nicht wirklich, denen gut ausgebildetes Personal in Tarifverträgen offenbar lieber wäre.

Ein schönes Wochenende

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