Kreis Bad Duerkheim Unbefriedigende Antworten

Szene aus einer Übung des Gefahrstoffzugs des Rhein-Pfalz-Kreises. Diese Abteilung der Feuerwehr kam zum Einsatz, als es am 21.
Szene aus einer Übung des Gefahrstoffzugs des Rhein-Pfalz-Kreises. Diese Abteilung der Feuerwehr kam zum Einsatz, als es am 21. August auf der Deponie in Heßheim einen schweren Störfall mit zwei Toten gab. Bis heute ist nicht geklärt, wie die tödliche Substanz in einen dort abgestellten Behälter gelangt ist.

Im Heßheimer Bürgerhaus sind die für Zuhörer vorgesehenen 200 Sitzplätze belegt. Vorne auf dem Podium sitzen der Umweltstaatssekretär, führende Köpfe der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Süd, ein Tüv-Sachverständiger sowie Vertreter der VG-Verwaltung Lambsheim-Heßheim. Zwischen den Fachleuten und dem Publikum sitzen Mitglieder des Verbandsgemeinderats, da die Veranstaltung Informationsabend und Ratssitzung zugleich sowie als eine auf zwei Stunden begrenzte Einwohnerfragestunde deklariert worden ist. „Wenn ich gewusst hätte, dass das so läuft ...“, sagt Ulrike Bonifer, Vorsitzende der Schutzgemeinschaft gegen Mülldeponie (SGM). Sie fällt Verbandsgemeindebürgermeister Michael Reith (SPD) schon bei der Begrüßung ins Wort und wird mehrfach aufgefordert, sich hinzusetzen, damit die Fragestunde beginnen kann. Doch zunächst werden Vorträge gehalten. Staatssekretär Thomas Griese (Grüne) fasst die Ereignisse zusammen. Am 21. August wurde im Heßheimer Sonderabfall-Zwischenlager der Firma Süd-Müll ein Gefäß mit vermeintlich wässrigen Säureabfällen geöffnet, wie sie bei Laboranalysen von Abwasser anfallen. Daraufhin starben zwei Mitarbeiter – vermutlich an Blausäuredämpfen, die sich aber rasch verflüchtigt haben müssen, da sonst auch Kollegen und Rettungskräfte zu Schaden gekommen wären. Unklar ist, ob die giftige Substanz auf dem Gelände entstanden oder wie sie dorthin gelangt ist, da sie laut Süd-Müll und SGD dort generell nicht als Sonderabfall angenommen wird. Mehrmals an diesem Abend sagt Thomas Griese, dass es aktuell es keinen Beleg dafür gebe, dass der tödliche Unfall durch Fehlverhalten oder mangelnde Vorsicht beim Betrieb der Deponie verursacht wurde. Der Giftstoff müsse an irgendeinem Punkt „hinzugefügt worden sein“: Bei dem Wormser Unternehmen Evonik, das wässrige Säuren über Süd-Müll entsorgt, auf dem Transportweg oder im Sonderabfalllager. „Fahrlässig, unwissentlich oder vorsätzlich“, erläutert Griese. Die Staatsanwaltschaft Frankenthal, die seit Langem nichts mehr über die Ermittlungen sagt, wird Grieses Aussagen am nächsten Tag nicht bestätigen. Ihr Leiter Hubert Ströber erklärt auf Anfrage: „Das entspricht nicht unserer Kenntnislage.“ Womit der Staatssekretär allerdings mit Verweis auf die Gewaltenteilung Recht hat: Den etwaigen Kriminalfall aufzuklären, ist Aufgabe der Justiz, nicht der Regierung. Die Landesbehörden haben vielmehr dafür zu sorgen, dass die Betriebsabläufe so gestaltet werden, dass ein Unfall wie dieser möglichst nicht noch mal passiert. Dazu dienen unter anderem ein Gutachten gemäß der Störfallverordnung und Vor-Ort-Inspektionen. Die zuständigen Fachleute erklären im Bürgerhaus die gesetzlichen Grundlagen ihres Handelns und auf Nachfrage auch Details der Vorgehensweise und bisher an Süd-Müll ausgesprochene Anweisungen. Doch dass zum Beispiel trotz des schweren Störfalls nicht einfach ein Betriebsstopp verhängt werden kann und dass der als unabhängig geltende Tüv-Gutachter von Süd-Müll beauftragt und bezahlt, aber von der SGD im Prinzip ausgesucht wird, scheinen die Zuhörer nicht hören zu wollen. „Wie viele Tote muss es denn noch geben?“, fragt jemand und bringt damit auf den Punkt, worum es den Wortführern im Saal – hauptsächlich Mitglieder der SGM – geht: Die Deponie, mindestens aber das Sonderabfalllager, soll geschlossen werden. Die Fragen und Kommentare aus dem Publikum machen deutlich: Die Leute bezweifeln, dass es bei Süd-Müll mit rechten Dingen zugeht und dass die Behörden genügend kontrollieren. Und sie befürchten, dass Gefahrstoffe auslaufen oder bei einem Unfall miteinander reagieren könnten. Bonifer weist darauf hin, dass es im August schließlich nicht das erste Mal war, dass die Feuerwehr zur Deponie ausrücken musste. „Es fehlt den Leuten das Vertrauen, dass jetzt und in Zukunft keine Gefahr von der Anlage ausgeht.“ So fasst der im Zuschauerraum sitzende Christian Baldauf, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, die Gemütslage der Bürger zusammen. Er schlägt engmaschigere Kontrollen und eine Führung auf dem Deponiegelände vor, damit „Transparenz hergestellt wird“. Vonseiten der SGD heißt es, sie untersuche und kontrolliere schon mehr, als sie eigentlich müsste. Der mit dem Störfallgutachten beauftragte Sachverständige kann noch nicht sagen, wann seine Ergebnisse vorliegen werden. Für Staatssekretär Griese spricht nichts dagegen, das Gutachten, wenn es denn vorliegt, öffentlich zu machen. In der Einwohnerfragestunde weist eine Frau auf ein ganz anderes Problem hin: Die ehemalige Lebensgefährtin eines der Unfallopfer beziehungsweise deren beider Kind sei jetzt in finanziellen Schwierigkeiten, und niemand kümmere sich darum, behauptet sie. Zudem sei der Arbeitgeber des 43-Jährigen noch das Gehalt vom August schuldig. Die Wortmeldung bestürzt viele im Saal. SPD-Landtagsmitglied Martin Haller ergreift in seiner Funktion als Mitglied des Verbandsgemeinderats das Wort und schlägt vor, dass sich die Frau an Bürgermeister Michael Reith wendet, der etwaige Hilfe sicher koordinieren könne. Süd-Müll-Geschäftsführer Benedikt Eberhard ist im Saal und will den Vorwurf nicht auf dem Familienunternehmen sitzen lassen. Am nächsten Tag versichert er gegenüber der RHEINPFALZ: „Nachdem rechtlich geklärt war, wer zum Empfang unserer Gehaltszahlung und freiwilligen Leistungen berechtigt ist, wurde das Geld von uns entsprechend überwiesen.“ Nach zweieinhalb Stunden, in denen er den Fachleuten und Bürgern das Wort überlassen hat, geht der Verbandsgemeinderat zu seinem Sitzungsprogramm über, derweil das Publikum im Foyer oder auf dem Heimweg darüber diskutiert, was man nun von dem Infoabend zu halten hat.

Thomas Griese vom Umweltministerium beantwortete im Heßheimer Bürgerhaus Fragen.
Thomas Griese vom Umweltministerium beantwortete im Heßheimer Bürgerhaus Fragen.
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