Über den Kirchturm hinaus Ohne Rücksicht auf der Autobahn

Drängeln, auffahren, rechts überholen: Warum verlieren manche in der Abgeschlossenheit ihres Wagens den Respekt vor anderen? Das
Drängeln, auffahren, rechts überholen: Warum verlieren manche in der Abgeschlossenheit ihres Wagens den Respekt vor anderen? Das fragt sich Pfarrer Martin Tiator.

Auf der Autobahn kam mir die Idee zu dieser Kolumne. Ich war auf dem Weg, meine Mutter zu besuchen. Nicht mehr als eine halbe Stunde Fahrt. Ich gehe es gern ruhig an, fahre rechtzeitig los, um entspannt ans Ziel zu kommen. Ich halte mich an die Tempobeschränkungen, auch in Baustellen. Und ich halte Abstand.

So bleibe ich gelassen. So lerne ich aber auch so manchen Mitakteur auf der Straße kennen. Weil ich nicht schneller als erlaubt fahre, schließt immer wieder einer ganz dicht zu mir auf. Manchmal erkenne ich im Rückspiegel nicht einmal mehr das Kennzeichen. Bei einem LKW kann das schon Angst machen. Da ich genügend Abstand halte, überholt mich schon mal einer (oder eine) von rechts, schneidet mich auch, um schneller voranzukommen. Im Stadtbereich sieht man sich oft bei der nächsten Ampel wieder.

Ist die Straße ein rechtsfreier Raum?

Was treibt den anderen um? Hat er keine Zeit? Steht sie unter Druck? Ist er in einer Notlage? Ärgert sie sich über mich? Würde er mir auch auf einem Weg durch die Stadt so nahekommen? Würde sie mich auch in der Fußgängerzone so schneiden? Warum verlieren manche in der Abgeschlossenheit ihres Wagens den Respekt, die Rücksicht vor dem anderen, den Anstand? Ist die Straße ein rechtsfreier Raum? Wenn ein Blitzer kommt, dann drücken sie auf die Bremse – und bremsen dabei auch mich immer wieder aus.

Für mich als Christen stellt sich auch hier auf der Straße die Frage der Nächstenliebe. Zumindest für den, der daran glaubt, sollte sie sich auch hier stellen. Oder gibst Du Deinen Glauben, Deine Freundlichkeit ab, wenn Du unerkannt Dein Ding machen kannst? Mir kommt der Heilige Christophorus in den Sinn; der Patron aller, die unterwegs sind. Nicht wenige Christen haben eine Christophorus-Plakette in ihrem Auto. Wie achtsam dieser starke Mann doch mit dem Kind, mit dem Kleinen umgeht! Er könnte mich und Dich auch achtsamer machen dem anderen gegenüber, der mit uns auf Reisen ist.

Geben wir aufeinander acht – gerade auch auf der Straße! Gefährden wir einander nicht! Bleiben wir rücksichtsvoll, freundlich, nachsichtig! Vor Dir, neben Dir, hinter Dir fährt – aus christlicher Sicht – ein Bruder, eine Schwester, die mit Dir unterwegs ist; die wie Du an ihr Ziel kommen will. Unser Gott will uns am Ende sogar miteinander zum selben glücklichen Ziel führen.

  • Martin Tiator ist Leitender Pfarrer der Pfarrei Grünstadt, Hl. Elisabeth.

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