Kreis Bad Duerkheim „Die Griechen lachen nicht mehr“

Irritiert, verunsichert, traurig – so beschreiben in Bad Dürkheim und Freinsheim arbeitende Griechen ihre Gefühlslage, während ganz Europa gebannt auf die Verhandlungen zwischen der politischen Führung aus Athen und den europäischen Spitzenpolitikern schaut.

Deutschland und Griechenland haben spätestens seit Mitte der 50er Jahre eine spezielle Beziehung. Es war die Zeit des Wirtschaftswunders, als in Südosteuropa Tausende Arbeitskräfte angeworben wurden, um Deutschland in einer Phase riesiger Wachstumsraten seine Produktivität zu sichern. Viele Griechen verließen ihre Heimat damals für immer und so kommt es, dass Maria Kavvadia seit 1963 in Deutschland lebt. Ihr Vater war 1955 als Arbeiter bei Hoechst in Frankfurt gelandet. Nach wie vor ist sie ausschließlich griechische Staatsbürgerin. Vor 25 Jahren siedelte sie nach Bad Dürkheim über, betrieb mit ihrem Mann das griechische Restaurant Levkada in direkter Nachbarschaft des Dürkheimer Fasses, das sich nun in den Händen ihrer Nachkommen befindet. „Ich kann mir gut vorstellen, dass die Leute all ihr Geld von der Bank holen“, sagt sie auf den drohenden Staatsbankrott angesprochen. Wie viele Griechen hält auch sie Kontakt mit der Heimat, wo Onkels, Tanten, Cousins und Cousinen leben, die teilweise in ihrer Existenz bedroht seien. Neben den bekannten Problemen, die von allen Medien immer wiederholt werden, sei zum Beispiel der Strom im vergangenen Jahr um 30 Prozent teurer geworden. Zwischen 400 und 600 Euro zahlten die Verwandten. Im Land herrsche mitunter Chaos, Hilfe sei dringend notwendig. Sie wolle sich gar nicht ausdenken, was passieren würde, wenn Griechenland nicht mehr Teil Europas sei. Den „Grexit“ verhindern können ihrer Meinung nach nur weitere Zugeständnisse und Hilfen. Die Partei von Alexis Tsipras, dem starken Mann der Partei Syriza hätte sie nicht gewählt. Alles sei aus der Verunsicherung heraus geschehen, findet sie. Interessant: die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, vor Jahresfrist für viele Griechen noch hauptverantwortliche für die Situation, wird von allen unseren Gesprächspartnern verteidigt. Sie sei diejenige, die sich um Stabilität bemühe und für den Verbleib Griechenlands in der Europäischen Union kämpfe. „Das große Drama“, ruft Helena Tsintsari, als sie den RHEINPFALZ-Anruf entgegennimmt und auf ihre Sicht auf den bevorstehenden Staatsbankrott angesprochen wird. In Freinsheim ist die 56-Jährige Betreiberin des griechischen Restaurants Mykonos. Auch sie ist durch ihre Eltern, die Gastarbeiter waren, nach Deutschland gekommen. „Politik ist Politik. Und die beschäftigt sich nicht mit Menschen“, sagt sie deutlich. Sie übt Kritik an Griechenlands derzeitigen Spitzenpolitikern Tsipras und Varoufakis und vergleicht sie mit der deutschen Piratenpartei. Das war eine Protestwahl aus reiner Verzweiflung, sagt sie und wirft den beiden vor, bei den Verhandlungen, unbedingt mit dem Kopf durch die Wand zu wollen und zu wenig außenpolitische Erfahrung zu haben. „Die wollen sich selbst etwas beweisen“, findet Tsintsari. Bei ihrer Verwandtschaft, die im Norden Griechenlands zu Hause ist, stellt sie eine permanent gedrückte Stimmung fest, eine große Melancholie. „Die Griechen sind lebenslustige Menschen, aber seit einiger Zeit lachen sie nicht mehr“, sagt sie und möchte deswegen fast nicht mehr hinfahren. Violetta Vassoo, seit 30 Jahren in Deutschland, denkt ähnlich. Sie betreibt seit zwei Jahren das Restaurant im Vereinshaus des Dürkheimer Hockey-Clubs und sieht Griechenland schon jetzt im Wettrennen mit den anderen europäischen Ländern um 100 Jahre zurückgefallen. Das ganze Geld könne niemals zurückgezahlt werden, ein teilweiser Schuldenerlass sei dringend notwendig, ist sie überzeugt. Zur wirtschaftlichen Kraft ihres Heimatlandes sagt sie: „Griechenland kann nicht mal ein Streichholz produzieren.“ Violettas Verwandtschaft lebt in Thessaloniki. Sie bewertet die Situation so, dass es den Menschen auf den Dörfern, die sich aus der Natur mit dem was in den Gärten wächst, ernähren können, besser geht, als der Stadtbevölkerung. Am Ende, so sagt sie, werde Tsipras alles unterschreiben, um in der EU bleiben zu können ... (als)

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