Kreis Bad Duerkheim Der Fall des Amer Al-Atassi

Der Krieg in Syrien macht auch vor einer der prominentesten Familien des Landes nicht halt. Amer Al-Atassi, Großneffe des ehemaligen syrischen Staatspräsidenten Haschim Chalid Al-Atassi, ist als Asylbewerber im Hotel Oberst in Waldsee untergebracht.

Der 26-Jährige weiß, was politische Verfolgung heißt: Allein seines Namens wegen sei er unzählige Male verhaftet und auf oppositionelle Umtriebe hin überprüft worden, sein Leben lang sei er daran gewöhnt gewesen, dass die syrische Geheimpolizei bei seinen Telefongesprächen mit in der Leitung war. Denn die Al-Atassis, die in Syrien für Demokratie stehen, seien vom Assad-Regime stets überwacht worden – aus Angst, die Familie könnte wieder politisch erstarken und die Macht der Assads gefährden, so Amer Al-Atassi. Krieg und Flucht bedeuteten für ihn einen besonders tiefen Fall, wie er berichtet: Während seine Kommilitonen im Studentenwohnheim auf dem Campus lebten, hatte der Jura-Student in der syrischen Hauptstadt Damaskus ein ganzes Haus für sich allein zur Verfügung, erhielt von seiner Familie seinen Angaben zufolge eine monatliche Apanage von 15.000 syrischen Pfund. Vor dem Krieg waren das umgerechnet etwa 300 US-Dollar, genug für den Lebensunterhalt einer achtköpfigen Familie. Nun besitze er nichts mehr. Alle 14 Mietshäuser, die seine Familie in der Stadt Homs ihr Eigen nannte, seien dem Erdboden gleich gemacht, an das Familienkonto komme keiner mehr heran. Sein Vater, vor zwei Jahren verhaftet und an einen unbekannten Ort verschleppt, sei der einzige gewesen, der das Passwort dafür kannte. Ob er noch lebe, wisse niemand, sagt Amer Al-Atassi. „Möglicherweise wurde ihm unter Folter der Kontozugang abgepresst, und alles ist abgeräumt.“ Über die ständige Sorge um seinen Vater, der in Amers Kindheit und Jugend als Religions- und Rechtslehrer in den Arabischen Emiraten arbeitete, spricht er nicht weiter. Nur, dass die Inhaftierung des Vaters am 26. April 2013 zu seinem Entschluss geführt habe, das Land zu verlassen. Um seine Flucht zu finanzieren, habe seine Mutter ein wertvolles goldenes Armband verkauft. Die traditionsreiche Familie könne ihre Ursprünge bis zu ihrem Urahn, dem Propheten Mohammed, zurückverfolgen, erklärt Amer Al-Atassi. Doch das hohe Ansehen, das die Familie in Syrien genieße, vermochte sie nicht vor den Kriegswirren zu bewahren. Die Familienmitglieder seien inzwischen in alle Winde verstreut im Libanon, der Türkei, aber auch in den USA und in Deutschland. Auf seiner eigenen Flucht arbeitete Amer Al-Atassi unter anderem als Bauarbeiter im Libanon. Sein Jura-Studium hat er nicht abgeschlossen. Ein Jahr hätte ihm noch bis zum Abschluss gefehlt, sagt er. Sein Studium in Deutschland zu beenden, sei wegen der unterschiedlichen Rechtsgrundlagen schwierig. Er könne sich aber auch gut vorstellen, handwerklich für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten. Sein Wunschberuf: Flugzeugbauer. Doch damit Amer Al-Atassi in Deutschland Fuß fassen kann, braucht er seine Anerkennung. Mit der beengten Unterbringungssituation in Waldsee ist er nicht ganz glücklich, weswegen er immer wieder Zeit mit befreundeten Syrern verbringt, die in Haßloch untergebracht sind. Er möchte so schnell wie möglich Deutsch lernen. (ast)

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