Grünstadt Wunderbar glänzende Vesper

Ein wirklich außergewöhnlich prachtvolles, mitreißendes, vorzügliches Konzerterlebnis bot am frühen – mit Blick auf das nicht allzu gut gefüllte Kirchenschiff vielleicht allzu frühen – Samstagabend die Evangelische Jugendkantorei der Pfalz dem Grünstadter Publikum. Unter der engagierten Leitung von Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald brachte sie zusammen mit der Cappella Sagittariana Dresden und einem vorzüglichen Solistenseptett Claudio Monteverdis Marienvesper in einer ungemein strahlenden, lebhaften, geradezu beglückenden Wiedergabe.

Im Jahr 1610 bewarb sich Claudio Monteverdi mit der Vespro della Beata Vergine und einer Messe erfolgreich um die Stelle des Kirchenmusikdirektors am Markusdom in Venedig, damals eine der prominentesten Stellen im internationalen Musikleben.

Neben den liturgisch festgelegten Teilen – fünf Psalmen, Hymnus, Magnificat – enthält die Komposition zusätzlich eine Reihe geistlicher Konzerte. Bemerkenswert ist die Vielfalt der musikalischen Stilmittel, die Monteverdi einsetzt. Sie reicht vom klassischen Falsibordonsatz, mit welchem noch heute katholische Kirchenchöre Vespergottesdiensten festliches Gepräge geben, bis zu damals hochmodernen, madrigalhaft freien Ausdrucksformen, deren Anliegen ist, dem Gehalt der Texte unmittelbaren musikalischen Ausdruck zu verleihen. So wird zum Beispiel im Concerto „Audi coelum“ eine ganze Menge Text von einem Solisten gesungen, bis ein neuer Vers mit dem Wort „Omnes“ („alle“) beginnt – und sofort singt der ganze Chor. Monteverdi gilt überdies als Miterfinder der Oper, und was er dabei an musikalischem Gefühlsausdruck gelernt hat, bringt er ebenfalls in die Marienvesper ein, die solcherart ganz viele musikalische Formen rasch wechselnd vereinigt. Das kommt offenbar heutigem Hörempfinden durchaus entgegen, so dass, ganz im Sinn der schön pointierten Einleitungsworte von Pfarrer Andreas Funke, Monteverdis Komposition trotz 400 Jahre Abstand auf viele Hörer, wie später zu hören war, keineswegs fremd wirkte.

Klanglich ungemein prachtvoll überzeugte schon der Introitus „Deus in adjutorium meum intende“ vollauf. Auf die gregorianische Einleitungszeile folgt ein herrlicher Chor- und Orchestersatz, in dem Monteverdi die einleitende Toccata seiner Oper „Orfeo“ weiterentwickelt. Die folgenden Psalmen bieten eine munter wechselnde Folge unterschiedlicher Klangcharaktere und -farben, indem große und kleine Gesangsbesetzungen und unterschiedliche Instrumente mal in großer, mal in kleiner Besetzung aufeinanderfolgen.

Ganz hervorragend bewährte sich – mit einer Fülle alter Blasinstrumente der Renaissancezeit – die Cappella Sagittariana, welche trotz nur kurzer gemeinsamer Probenzeit mit den Solisten, der Jugendkantorei und der an einigen Stellen hinzutretenden Kinderkantorei (Leitung: Vera Steuerwald) bestens harmonierte. Die Jugendkantorei beherrschte ihren Part sicher (dass die Männerstimmen einzelne Einsätze etwas zögerlich und unentschieden angingen, wäre also gar nicht nötig gewesen), sie sang schlank und schön konturiert, strahlte, wo sie zu strahlen hatte, kurz: Sie machte reine Freude. Sieben Solisten bewährten sich in längeren und kürzeren Partien bestens. Besonders lebendig, wohlklingend und innig im Ausdruck sangen die Sopranistinnen Monika Mauch und Angelika Lenter das Concerto „Pulchra es“; immer wieder brachte sich der erste Tenor, Markus Brutscher, durch besonders expressive Ausdruckshaltung zur Geltung, während seine Kollegen Sebastian Hübner und Gernot Heinrich mehr Wert auf gepflegten Wohlklang legten. Ekkehard Abele und Markus Flaig waren zwei profunde Bässe ohne Fehl und Tadel. Immer wieder fiel das Orchester angenehm auf, wenn die eine oder andere Instrumentengruppe Gelegenheit hatte, solistisch zu glänzen. Alles war herrlich rein intoniert, herrlich beweglich und elegant, ohne es jemals an Klangkraft mangeln zu lassen. Die Pfälzische Kinderkantorei gab nicht nur der Orchestersonata „Sancta Maria“, in die sie immer wieder wie in einer Litanei ihr „Ora pro nobis“ („Bitte für uns!“) sang, wunderschönen, sanften Glanz.

Das alles konnte nur so einleuchtend, klar und sinnvoll ineinandergreifen, weil Jochen Steuerwald es mit engagierten Gebärden zusammenhielt. Er tat weit mehr als nur den Takt schlagen: Er wollte viel von seinem Ensemble. Und er bekam es. Tempi, Dynamik, Ausdruck überzeugten völlig. Ganz große Klasse. Und begeisterter, verdienter Applaus.

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