Grünstadt „Verständnis für Unzufriedene“

Ein politischer Mensch: Roland Kaiser.
Ein politischer Mensch: Roland Kaiser.
Herr Kaiser, Sie waren mehrfach verheiratet …

Übertreiben Sie mal nicht so. Ich war dreimal verheiratet. Gut, neuer Versuch. Sie sind zum dritten Mal verheiratet. Was empfinden Sie als schlimmer: mit Fehlern zu leben oder manche Dinge im Leben gar nicht erst versucht zu haben? Ich kenne niemanden, der sagen kann: Ich habe nie Fehler gemacht. Insofern ist es wohl das Wichtigste, aus Fehlern zu lernen. Das ist vielleicht die beste Form, mit dem Leben klar zu kommen. Ich möchte ergänzen, dass ich meine Ehen allerdings nicht in die Kategorie „Fehler“ einordne. Und ich will auch gar nicht werten. Eine Beziehung geht selten zu Ende, weil nur einem die Schuld am Scheitern zugewiesen werden kann. Apropos Fehler: Würden Sie alle Lieder, die Sie aufgenommen haben, heute noch einmal aufnehmen? Moment. Auch hier passt das Wort „Fehler“ nicht. Zu dem Zeitpunkt, als ich meine vielen Lieder aufgenommen habe, habe ich sie immer auch aufnehmen wollen. Mit Ausnahme eines einzigen Titels, den ich eigentlich gar nicht haben wollte. Das war damals das Lied „Sieben Fässer Wein“. Das Lied wurde für Rex Gildo geschrieben. Ich sang es im Studio nur als Demo ein, damit der Produzent, der gerade Stress mit Gildo hatte, einmal hört, wie es klingt. Es sollte von mir nie veröffentlich werden, weil es nicht zu mir passt. Aber das Leben hat es anders gewollt. Die Plattenfirma hat es doch von mir veröffentlich. Ich habe mich dann in mein Schicksal gefügt, es war ja auch ein Hit. Sie haben eine ganze Menge Alben aufgenommen. Sind Sie heute immer noch textsicher angesichts der Fülle von Songs? Also, bevor ich eine neue Tournee angehe, muss ich die Texte natürlich vorher noch einmal lernen. Denn die Menschen, die im Publikum sitzen und mich hören wollen, können die Lieder sehr sicher mitsingen. Und wenn man da nicht selbst textsicher ist, dann ist das – vorsichtig ausgedrückt – unangenehm. Im Saal sind heute auch viele Menschen, die wesentlich jünger sind als die Titel selbst, und die können die Texte eigentlich immer. Da sollte es der Künstler natürlich auch können. Wenn Sie wüssten, was der Schlüssel zu einem guten Schlager ist, … … dann würde ich es für mich behalten. Aber ich kenne ihn nicht, weil es ihn nicht gibt. Es gibt nur glückliche Momente, wenn Komponist und Künstler harmonieren. Und der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist auch eine Glücksfrage. Aber was kennzeichnet einen Schlager, der ein Hit wird? Ein guter Schlager muss mehrheitsfähig bei den Menschen sein. Manche Musiker, die sich überhaupt nicht als Schlagersänger sehen, hatten schon einen oder mehrere Hits. Aber genau betrachtet ist ein Hit letztlich nichts anderes als ein Schlager. Wenn ich gefragt werde, ob ich Schlager singe, lautet meine Antwort immer: Sie können meine Lieder nennen, wie Sie wollen – es sind die Songs, die ich gerne mache. Sie sind auch ein politischer Mensch, schon ewig SPD-Mitglied und engagieren sich für sozial Benachteiligte. Wie erklären Sie sich, dass heute in Deutschland viele Menschen so wütend sind und rechts wählen? Das hat mit Ungerechtigkeiten zu tun. Es gibt Dinge, die Politiker den Menschen nicht mehr vermitteln können. Es gibt Menschen, die arbeiten 45 Jahre und müssen dann als Rentner zur Tafel. Und hören dann, dass irgendein Manager Millionen Abfindung erhält, obwohl der einen milliardenschweren Schaden zu verantworten hat. Sie verstehen aber diese Leute, die unzufrieden sind? Ja, dafür zeige ich Verständnis, aber nicht für jene, die diese Unzufriedenheit nutzen, um die Menschen in eine rechte Ecke zu treiben. Was müssen die Demokraten also tun, um wieder glaubhaft zu werden? Die Politiker müssen einfach sensibler werden, wenn sie spüren, dass solche Bewegungen stärker werden. Sie müssen früher auf die Menschen zugehen, bevor diejenigen kommen, von denen sie nicht wollen, dass sie mit den Unzufriedenen reden. Ist es dafür nicht schon zu spät? Nein! Wenn der gesellschaftliche Konsens vorhanden ist, wach zu bleiben gegen diese Entwicklung, dann kann man als Gesellschaft auch dagegen halten. Termin Roland Kaiser gastiert am Donnerstag, 22. November, 20 Uhr, in der SAP-Arena Mannheim. | Interview: Wolf Goldschmitt

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