Grünstadt „Verbandsvielfalt drückt das Niveau“

Yara Müller startet mittlerweile bei Turnieren des Verbandes ISKA.
Yara Müller startet mittlerweile bei Turnieren des Verbandes ISKA.

Vereins-, Verbands- und Bezirksmeister, Landes-, Bundes- und Europameister – meist muss ein Sportler zahlreichen Turniere auf verschiedenen Ebenen durchlaufen, bevor er um einen Weltmeistertitel kämpfen kann. Im Taekwondo und Kickboxen ticken die Uhren anders. Hier gibt es auch offene Turniere: So konnte die 14-jährige Yara Müller beispielsweise nach nur zehn Monaten Kampfsporttraining beim TV Colgenstein-Heidesheim Weltmeisterin im Point Fighting der A.F.S.O. werden.

„Das liegt an der Verbandsvielfalt“, erklärt der Chef der Kampfsportschule „Black Eagle“ in Göllheim, Jürgen Kastner. Dadurch, dass es so viele Kickbox-Organisationen gibt, werde ein WM-Titel heutzutage auf ein sehr niedriges Niveau gedrückt, findet er. Wird jemand nach nur wenigen Monaten Erfahrung in dem Sport zum „weltbesten“ Kämpfer gekürt, „so ist das meist das Resultat von Starts in leeren Anfängerklassen“, so der Träger des achten Dan. Es sei ein gewaltiger Unterschied, ob man das Turnier einer sehr kleinen, nicht als Weltverband anerkannten Vereinigung wie A.F.S.O. gewinnt oder die NASKA World Championships mit 6000 Teilnehmern. „Solche kleinen Verbände haben für mich keinen Stellenwert“, sagt Pierre Polini, Taekwondo-Trainer beim ATSV Wattenheim und TSV Carlsberg. Wenn bei deren Wettkämpfen verschiedene teilnehmende Nationen genannt werden, „sind das oft in Deutschland lebende Ausländer oder befreundete Vereine beziehungsweise Schulen, die explizit eingeladen werden“. Rein rechtlich sei der Gewinner lediglich der Weltmeister dieses Verbandes, sein Können sei aber (vermutlich) nicht annähernd weltmeisterlich. „Derjenige würde auf der DM eines großen Verbandes nicht einmal die erste Runde überstehen“, prophezeit Polini, selbst mehrfacher Weltmeister der WKA, der World Kickboxing Association, einer der ältesten großen Verbände. Auch seine Schülerin Friederike Zydorek holte sich den Titel ebenda. Mit seinen Schülern geht er zwar „rein zu Übungszwecken“ zu jedem Turnier, ist aber mit ihnen bei der WAKO (World Association of Kickboxing Organizations) gemeldet. „Die sind am professionellsten organisiert“, findet er. Da gebe es beispielsweise – wie es sich gehört – 16 Landesmeisterschaften für 16 Bundesländer, auf denen man sich für die Deutsche Meisterschaft qualifiziert. „Das Niveau ist gut“, so Polini und verdeutlicht: 95 Prozent seiner Schüler könnten auf einer DM der WAKO nicht gewinnen. Seriöse Verbände, die auch internationale Wettkämpfe austragen, seien ferner WTF und WKF (beide olympisch) sowie WKU, WKA, WTKA, ISKA und – der richtige – WKC, von denen es zwei gibt. Kastner startet seit Jahren für WKC – den World Kickboxing Council mit Sitz in Großbritannien. „Dort kann man einzig über die Qualifikation auf Landesebene in die Nationalmannschaft aufgenommen werden“, erläutert er. Erst wer sich „hochgearbeitet“ hat, kann irgendwann bei einer WM antreten. „Es gibt aber andernorts so genannte ,offene Weltmeisterschaften`“, berichtet Kastner, dass der Titel sehr relativ sei. Verbandsübergreifende Olympiaden, bei denen wirklich die Besten der Besten um die Titel buhlen, gebe es übrigens auch: etwa bei den US Open in Florida und bei der WKC World Championships in Albufeira (Portugal), die Kastner im vergangenen Jahr als Vizeweltmeister verlassen hat. Weshalb sich die „Black Belt Monkeys“ des TV Colgenstein-Heidesheim trotz all der Bedenken gegen kleine Verbände dazu entschlossen haben, an einer A.F.S.O.-Weltmeisterschaft teilzunehmen (und Yara Müller den Titel holen konnte), erklärt Trainer Christian Müller: „Wir sind erst seit kurzem in dieser Sportart dabei und da das Turnier in der Nähe war, haben wir uns spontan entschieden, hinzufahren.“ Hauptgedanke dabei sei gewesen, Erfahrungen zu sammeln. Der Wettkampf ging über drei Tage mit 400 Startern aus aller Welt und allen Verbänden. „Ein WKU- oder WKA-Kämpfer startet ja nicht nur bei WKA-Turnieren, sondern genauso bei der A.F.S.O.“, so Müller. Eine Qualifikation sei nicht notwendig gewesen. „Anfangs war es für uns überraschend, Weltmeister zu sein, und ich habe es auch nicht publik gemacht, da ich mir nicht vorstellen konnte, dass so etwas so schnell gehen kann“, blickt der Trainer zurück. „Wir wollten damit nicht angeben.“ Dann aber habe er Online-Berichte über das A.F.S.O.-Turnier gesehen und bemerkt, dass auch die Sieger der anderen Klassen mit ihrem Titel werben. Inzwischen starte Yara, die auch für die RHEINPFALZ-Sportlerwahl nominiert war, für das Team des Verbandes ISKA, der seine Turniere zusammen mit der WKA ausrichte. Dabei habe sich die Schülerin durch zwei deutsche Meistertitel beim Formen- und Waffenlauf für die WM in Athen qualifiziert. Müller: „Das ist für mich von der Wertigkeit mit dem Weltmeister-Titel absolut gleichzusetzen.“

Friederike Zydorek
Friederike Zydorek
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