Grünstadt Mit Bruce Springsteen in der Scheune

In Woodstock, wo einst das legendäre Festival stattfand, hat der deutsche Gitarrist Carl Carlton prominente Freunde und ein neues Zuhause gefunden. Der Sideman von Peter Maffay und Udo Lindenberg ist nun mit eigener Band auf Tour und bringt Lieder und Geschichten aus Woodstock mit zu seinem Auftritt im Mannheimer Capitol. Ein Gespräch über legendäre Orte und prominente Vorbilder.

Carl Carlton, ihr Live-Programm heißt „Woodstock & Wonderland – Songs and Stories“. Bei Woodstock denkt man an das berühmte Hippiefestival – aber das ist nicht gemeint?

Ja, das bezieht sich auf den Ort Woodstock und die Künstlerkolonie, wo ich seit vielen Jahren wohne. Es ist auch der Name für meine akustischen Sachen. Und Wonderland kommt vom Namen meines aktuellen Albums, „Lights out in Wonderland“. Das kommt bei der Tour beides zusammen. Und wie hängt das zusammen? Ich hätte das neue Album so nicht gemacht, wenn ich nicht so lange in Woodstock gewesen wäre und von den Leuten und der Musik dort so beeinflusst worden wäre. Wie sind Sie überhaupt nach Woodstock gekommen? Ich habe mit meiner Band Songdogs Aufnahmen gemacht und mit Levon Helm, dem Drummer und Sänger von The Band, gearbeitet. Er ist eines meiner ganz großen Idole. The Band hat ja einen unglaublichen Einfluss gehabt, und er und die anderen Musiker lebten in Woodstock. Levon hat mich 2003 dorthin geholt und seither ist das in den Staaten mein Zuhause geworden. Was ist an dem Ort so faszinierend? Das ist ein wunderschöner Landstrich, zwei Stunden nördlich von New York, mit einer über 100 Jahre alten Künstlerkolonie, der Byrdcliffe Arts Colony. Aus der hat sich ganz viel entwickelt, nicht nur Musiker, sondern Maler, Dichter und mehr. Später hat zum Beispiel auch Bob Dylan dort gelebt. Der war natürlich ein Magnet und hat weitere Künstler angezogen. Und diese Künstler haben sich bis heute ihre Umgebung so erhalten, wie man sich zu leben wünscht. Wie muss man sich das vorstellen? Es gibt keine großen Supermärkte, nur Bauernmärkte, es gibt keine Fastfood-Ketten dort. Und es gibt unheimlich viel Musik und Kunst. Nach ein paar Jahren hatte ich dort Fuß gefasst – nicht nur wegen der Vergangenheit. Donald Fagan und Steve Earle leben da und ich konnte mit denen arbeiten und natürlich mein Über-Vater Levon Helm. Als er vor zwei Jahren starb, war das ein schwerer Schlag für mich. Da habe ich mir vorgenommen, Levons Geschichte und die Geschichte dieses magischen Ortes zu erzählen und dazu Musik zu machen. Musik, die von Musikern in Woodstock geschrieben wurde? Ja, aber nicht einfach nur zum Nachspielen. Alle Stücke haben mit mir zu tun, entweder als Anekdote oder ich habe dabei mitwirkt oder mit Levon den Song gespielt. Er hat ja am Wochenende immer Konzerte bei sich daheim veranstaltet. Bei Levon Helm zu Hause? Ja, er bewohnte eine riesige alte Scheune. Da gingen so 200 Leute rein und saßen um die Musiker herum. Weil Levon so ein Anziehungspunkt war, kamen auch immer interessante Leute. Emmylou Harris, John Hiatt, Keb Mo, Bruce Springsteen, Keith Richards – irgendwer war immer da. Und diese Geschichten wollte ich weiter tragen und in Deutschland erzählen. Was hat das mit dem Album „Lights out in Wonderland“ zu tun? Ich habe die Songs dort geschrieben und mit Levon den ersten Titel kurz vor seinem Tod aufgenommen. Und der Auftritt bringt dann Musik und Geschichten aus Woodstock? Genau. Zum Beispiel wie Van Morrisson zwei Tage vor Bob Dylans Haustür gesessen hat, weil er so ein Fan ist, aber Dylan ihn nicht rein gelassen hat. Auch Geschichten, die ich erlebt habe. Zum Beispiel? Ich hatte als Junge im Kino bei „Easy Rider“ den Song „The Weight“ gehört, fand den total klasse, und hab nach langem Suchen herausgefunden, dass der auch von The Band ist. 2009 stehe ich an der Kasse im Sunflower Farmers Market, da sagt eine alte Frau zu mir „Junger Mann, sie sind aber groß!“ und dann fragte sie mich, wie ich nach Woodstock komme. Ich hab ihr dann erklärt, dass ich mit Levon Helm Aufnahmen mache. Da war sie gleich begeistert. Sie ging mit ihm zur Schule und sie sind gute Freunde. Ich fragte nach ihrem Namen und sie sagte Anna Lee – und da standen mir die Haare zu Berge, denn sie war genau die Anna Lee, die im Song „The Weight“ vorkommt. Und wie wird die Musik dann beim Konzert? Das wird nicht nur akustisch, sondern auch ein bisschen elektrisch. Das neue Album ist kein ausgesprochenes Rock-Album, eher lyrisch, aber auch mit elektrischer Gitarre. Es geht so etwas in Richtung Tom Petty. In Deutschland kennt man sie eher als Gitarrist für Udo Lindenberg und Peter Maffay. Stehen Sie nicht in deren Schatten? Das ist ein großes Missverständnis. Ich war nie der ausschließliche Studio- oder Tourgitarrist für andere. Ich hatte ja schon ein bewegtes musikalischen Leben bevor ich in den 80ern begann, für die beiden zu spielen. Ich bin auch nicht als Gitarrist, sondern als Songwriter und Produzent zu ihnen gekommen. Ich war immer als Künstler in die Produktionen involviert, nicht als Begleitmusiker. Ich habe auch immer parallel mit anderen Künstlern gearbeitet, wie zum Beispiel mit Robert Palmer, in dessen Projekte ich stark eingebunden war. Dann gibt es in Deutschland ein falsches Bild von Ihnen? Die Sichtweise „Der Gitarrist von... macht jetzt endlich mal ein Solo-Album“ tut mir schon ein bisschen weh. Das stimmt einfach nicht. Es ist auch ein bisschen hinderlich. Deshalb lebe ich auch mehr in den USA. Dort kam auch das Album zuerst raus.

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