Grünstadt Kampfkatzen: Nicht nur schön kicken

CARLSBERG. Gimmli, die kleine graue Katze, war sehr dünn und schwach. Von Geburt an hatte sie ein zu kurzes Schwänzchen und wurde deshalb immer ausgelacht. Sie träumte davon, nicht mehr schüchtern und ängstlich zu sein, sich das alles nicht mehr gefallen zu lassen. Dann ging sie in die Kampfkatzenschule. 42 Kinder machen es ihr in Carlsberg nach. In zwei Gruppen zeigt ihnen Tae-Kwon-Do-Trainer Pierre Polini, wie man mutig und stark wird.

Spielerisch werden die Muskeln der Vier- bis Sechsjährigen, darunter vereinzelt auch Dreijährige, gekräftigt, ihre Kondition und Reaktionsfähigkeit gesteigert, faires und diszipliniertes Verhalten geübt. So sitzen rund 20 Winzlinge – allesamt barfuß und in einheitlichen Kampfkatzen-T-Shirts – sich an den Händen haltend mit Polini und seiner Schülerin Friederike Zydorek (17) im Kreis auf dem Boden. „Wir sind eine Blume“, erzählt der Trainer, „aber nun wird es Tag und die Blüte öffnet sich.“ Alle legen sich gemeinsam auf den Rücken, ohne sich loszulassen. Als es „dunkel“ wird, setzen sich die Kinder wieder auf. Mehrmals hintereinander ist das ein gutes Bauchtraining. Nachdem sich die Kampfkätzchen ordentlich aufgestellt haben, ruft Polini: „Ihr seid alle doof!“ Sofort schnellen die Arme der jeweils zehn Mädchen und zehn Jungen in eine Abwehrhaltung nach vorn und sie brüllen wie aus einem Mund: „Hör’ auf!“ Der Trainer des ATSV Wattenheim und des TSV Carlsberg provoziert weiter, und die Kleinen reagieren prompt. Ihnen in die Nase oder ins Ohr zu kneifen, gelingt Polini und Zydorek nur bei wenigen Kindern: Zu schnell schützen deren geballte Fäuste die entsprechenden Stellen. Nach ein paar „schönen Kicks“ und einer kurzen Trinkpause ist Ausdauer gefragt. Die Schüler rennen durch die Halle, in der zwei „Vampire“ liegen. Zur „Geisterstunde“, die Polini unverhofft einläutet, erheben sie sich und jagen den anderen hinterher. Wer von ihnen gefangen wird, muss sich an den Rand stellen, bis fünf zählen und darf dann weiterlaufen. Mit großer Freude sind die Kleinen dabei. Dass mit diesem Spiel Bewegungsmangel entgegengewirkt werden soll, ist den Kindern nicht bewusst. Sie wollen nur werden wie Gimmli, die es nach dem Besuch der Kampfkatzenschule sogar mit der Rattenbande aufnehmen konnte. Davon hat ihnen das graue Kätzchen, das als Handpuppe durch Zydorek lebendig wird, zu Beginn der Übungsstunde erzählt. Das Konzept aus einer kindgerechten Geschichte in Verbindung mit Grundelementen verschiedener Kampfsportarten stammt von Heinz Klupp. Der Inhaber des Sportcenters KBV im bayerischen Erding, der auf über 40-jährige Erfahrung in Karate, Boxen und Kickboxen zurückblicken kann, hat es 2004 entwickelt. „Die Kampfkatzenschule kam so gut an, dass es inzwischen bundesweit rund 20 Studios und Vereine gibt, die Kinder entsprechend ausbilden“, erklärt Klupp. Trainiert werden unter anderem Körperwahrnehmung, Fitness, Gleichgewichtssinn und Gedächtnis, Koordination und Respekt. Hilfsbereitschaft ist auch ein Lernziel, zum Beispiel beim Aufwachspiel: Wer nach der Berührung mit einer Pratze in einen „Dornröschenschlaf“ gefallen ist, öffnet die Augen erst wieder auf einer der orangefarbenen Matten, die überall im Raum verteilt sind. Nur gemeinsam können die wie leblos daliegenden Körper dorthin gebracht werden. „Wer hilft mir?“ ruft Polini und sofort eilen zwei, drei Freiwillige herbei.

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