Grünstadt Integration durch Musik

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„Hip-Hop ist super top“, hört man Kinderstimmen im Untergeschoss der Dirmsteiner Grundschule singen. Im Takt des Lieds wird auf Keyboard und Klavier in die Tasten gehauen, Drumsticks fahren auf ein Schlagzeug nieder, und überall wippen kleine Füße und Köpfe mit. Seit Anfang des Schuljahres lernen zwei Gruppen von Schülern hier spielerisch verschiedene Instrumente kennen und studieren Lieder ein. Die meisten von ihnen sind Flüchtlingskinder.

„Kennt ihr dieses Instrument?“, fragt Christian Schatka in die Runde. „E-Gitarre!“, rufen die fünf Mädchen wie aus einem Mund. Beim Bass muss der Musiker und Instrumentalpädagoge schon etwas nachhelfen, und beim Cajon müssen die Kinder passen. Doch den Namen der südamerikanischen Kistentrommel hätte wohl auch nicht jeder Erwachsene gewusst. „Jetzt singen wir mal das Lied aus der vergangenen Woche“, kündigt Schatka an. Sofort scharen sich die Mädchen um das Mikrofon. „Hip-Hop ist super top“, singen sie mit Inbrunst. Danach schnappt sich jede eine Trommel und haut erst einmal nach Herzenslust auf ihr herum. „Wir machen mal ein bisschen Krach, um wach zu werden“, sagt Schatka. Seit Beginn des Schuljahres kommt Christian Schatka einmal in der Woche an die Dirmsteiner Schule, um mit den Kindern Musik zu machen. Schulleiterin Stefanie Hackmann hatte über die Künstlerdatenbank des Landesprogramms „Jedem Kind seine Kunst“ Kontakt zu dem Musiker aufgenommen. Das vom Land geförderte Programm soll Kooperationen zwischen Kulturschaffenden und Einrichtungen wie Schulen oder Vereinen vermitteln, die gemeinsam kulturelle Bildungsprojekte für Kinder und Jugendliche gestalten wollen. Ursprünglich sollten nur die neun Flüchtlingskinder, die die Schule derzeit besuchen, an den Musikstunden teilnehmen. Hackmann kannte ein ähnliches Projekt von einer anderen Schule und war von den dortigen Ergebnissen überzeugt. „In einer Gruppe hat das bei uns aber nicht so gut funktioniert“, sagt die Schulleiterin. Man habe sich dann dazu entschlossen, die Schüler auf zwei Gruppen aufzuteilen und mit deutschen Kindern zu mischen. Zumindest was die Kommunikation angeht, scheint die Rechnung aufzugehen: Die beiden achtjährigen Schülerinnen Lilo und Liana in Gruppe 2 stehen ihren Mitschülern sofort zur Seite, wenn diese etwas nicht verstehen. „Amal, gut oder schlecht?“, sagt Liana und deutet mit ihrem Daumen erst nach oben und dann nach unten, als das libanesische Mädchen mit der Frage, ob ihr der Musikunterricht gefalle, zunächst nicht viel anfangen kann. „Gut!“, ruft die Achtjährige dann freudestrahlend. Seit sechs Monaten ist sie mit ihrer Familie in Deutschland. In ihrem Heimatland hat sie eine internationale Schule besucht, erzählt Schulleiterin Hackmann, deswegen spreche sie sehr gut Englisch. Das Deutsch der Schülerin verbessere sich auch stetig. Zu verdanken sei dies auch den Ehrenamtlichen, die den Kindern unter der Woche in Einzelunterricht Deutsch beibringen. Nicht alle der neun Flüchtlingskinder haben jedoch die gleiche schulische Vorbildung wie Amal genossen, sagt Hackmann. „Manche haben in ihrer Heimat gar keine Schule besucht und somit keine Kenntnisse im Schreiben oder Rechnen“, sagt die Rektorin. Gelten die Kinder in Deutschland jedoch als schulpflichtig, müsse die Schule sie aufnehmen. Zusammen mit ihren Lehrerkollegen muss Hackmann dann mithilfe gezielter Tests herausfinden, auf welchem Wissensstand die Kinder sind und in welcher Klassenstufe sie am besten aufgehoben sind. Abgesehen von den schulischen und sprachlichen Hindernissen stehe das Lehrerkollegium bei den Flüchtlingskindern oft noch vor anderen Herausforderungen. Viele der Kinder kämen aus Krisengebieten wie Pakistan oder dem Libanon und seien zum Teil schwer traumatisiert. „Sie tauen erst sehr langsam auf. Viele haben zum Beispiel lange Zeit überhaupt nicht geredet“, sagt Hackmann. Die Hoffnung der Schulleiterin ist, dass durch das Musikprojekt die Integration noch besser funktioniert. „Mithilfe der Musik lernen Kinder auf spielerische Weise, sich auszudrücken.“ In Dirmstein will die Rektorin das Projekt fortführen. Vor allem, weil der Zustrom von Flüchtlingen auch an ihrer Schule nicht abreißen wird. Die Verbandsgemeinde Grünstadt-Land habe ihr bereits mitgeteilt, dass demnächst noch mehr Kinder kämen. Wie viele genau, wissen jedoch weder Hackmann noch die Verwaltung. Sie wissen nur, dass auch diese Kinder wieder integriert werden müssen.

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