Grünstadt Gefoltert wie im Mittelalter

Scheer
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Die neue Episode seiner „Crime Corner“-Kolumne führt den Journalisten Rainer Scheer auf ein Mittelalterfest, das sich als Tatort entpuppt.

Bernsen und Kohlschuetter ermitteln wieder. Es ist ihr vierter gemeinsamer Fall, doch das Verhältnis der beiden hat sich kaum verbessert. Dass in diesem Arbeitsklima permanenter Kabbelei überhaupt ein Ergebnis erzielt werden kann, ist schon erstaunlich. Bernsen, der Wessi, wohnt mit seiner Frau eigentlich in Bremen, ist aber von Montag bis Freitag im Kommissariat in Erfurt tätig, eben gemeinsam mit Kollege Kohlschuetter, Single, etliche Jahre jünger und Ossi. Die Autorin Julia Bruns, geboren in einem kleinen Dorf in Thüringen, liebt dieses verbale Klingen kreuzen ihrer Hauptfiguren. Das ist auch im neuen Fall „Thüringer Teufelswerk“ nicht anders. Der Leser muss sich da manchmal durchbeißen, da die Häufung dieser wenig Ziel führenden Dialoge Seiten füllt und hier und da von dem geschickt konstruierten Kriminalfall ablenkt. Schauplatz des neuen Falles ist das Mittelalterstadtfest in Bad Langensalza, es ist der größte Mittelaltermarkt in Thüringen. Beim Höhepunkt der Veranstaltung, dem „Teufelswerk“ wird in einem alten Sack eine verstümmelte Leiche gefunden. Sie wird identifiziert als Réne Bärt, Mitarbeiter der Stadt und unter anderem verantwortlich für die Stände auf dem Markt. Das Opfer wurde kastriert. Überraschenderweise ergeben die forensischen Untersuchungen, dass dieser Eingriff nicht die Todesursache gewesen sein kann, denn sie fand bereits Tage vorher statt! René Bärt ist an Folter gestorben, ausgeführt mit mittelalterlichen Folterwerkzeugen. Ein Krimi über einen Mittelaltermarkt, das ist ein sehr gutes Sujet, finden doch alljährlich über 4000 dieser Märkte statt. Und dass das Mittelalter heutzutage noch großes Interesse hervorruft, zeigte sich auch in der kürzlich gesendeten „Terra X“-Folge zur Geschichte des Doms in Worms. In Bad Langensalza ist das Mittelalterstadtfest das wichtigste Stadtfest im Jahr. Sie sind neugierig geworden? Dann fahren Sie am 25. und 26. August 2018 nach Thüringen. Reiselektüre? Klar. Das „Thüringer Teufelswerk“. Denn: Spannend ist dieser Fall, sehr geschickt konstruiert. Die Autorin liebt ihr Thüringen und ihre Beschreibungen sind eine einzige Werbung, was aber einem offenkundigen Regionalkrimi zustehen darf. Der Fall bietet zahlreiche Wendungen. Und ein sehr gut gemeintes Ende, allein das vorletzte Kapitel ist doch besser ganz am Schluss zu lesen, sozusagen als Epilog. Warum dies nicht so gemacht worden ist, wissen nur Autorin und Lektorin – es ist völlig unverständlich, sich selbst um dieses wirkungsvolle und konsequente Ende zu bringen. Lesezeichen Julia Bruns: Thüringer Teufelswerk. Emons 2018, Broschur, 285 Seiten, 11,90 Euro.

Das Cover
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