Grünstadt „Der Abriss ärgert mich“

Mehr als zehn Jahre hat Heinz Granitza am Bau der Ludwigshafener Hochstraße Nord mitgewirkt. Dass der Betonkoloss bald verschwindet, stimmt den ehemaligen Polier wehmütig. Die Stadt habe das Verkehrsbauwerk nicht ausreichend instand gehalten, ist der 76-Jährige überzeugt.

„Da drüben war unser Büro.“ Heinz Granitza steht am nördlichen Ausgang des Rathaus-Centers mit Blick auf die Prinzregentenstraße. Seine Hand zeigt nach rechts, dorthin, wo bald das Wasserbassin beginnt. Er war Polier bei der Firma Philipp Holzmann in Mannheim, die zwischen 1970 und 1981 am Bau der Hochstraße Nord zwischen Rhein und Pylonbrücke beteiligt war. „Alles an Betonarbeiten ist damals über meinen Schreibtisch gegangen“, sagt der 76-Jährige mit einem gewissen Stolz. „Ich glaube, ich bin schon im Sommer 1969 hierher gekommen“, kramt Granitza, der mit seiner Frau Waltraud in Edigheim wohnt, in seinem Gedächtnis. „Und dann bis 1980 geblieben.“ Länger sei er in seiner langen, 43 Jahre dauernden Zeit als Maurer und Polier an keiner anderen Baustelle gewesen. „Dass das ein so langer Zeitraum werden würde, hatten wir anfangs selbst nicht gedacht.“ Dann schaut Granitza vom Europaplatz hoch zur Hochstraße, die 2018 abgerissen und dann für immer verschwinden wird. An ihre Stelle soll eine ebenerdige Stadtstraße kommen. „Wir haben hier bestimmt acht bis zehn Sorten Beton verbaut“, berichtet Granitza. Wo welcher Beton benutzt wurde, hätten die Statiker vorgegeben. „Anfangs haben wir den Beton noch selbst hergestellt, die Anlage dafür stand da, wo heute das Rathaus-Center ist“, erzählt der Rentner. Später dann sei der Beton mit Mischerfahrzeugen angeliefert worden. Beton sei damals, in den 1970er Jahren, eben das Material gewesen. „Wir haben wirklich geglaubt, wir bauen damit für die Ewigkeit“, sagt er. Sollte aber jetzt einer auf die Idee kommen, dass die Hochstraße marode geworden ist, weil sie, die Bauarbeiter, nicht ordentlich gearbeitet hätten, bekäme er es mit dem rüstigen Edigheimer zu tun. „Alle Arbeiten sind nach den Standards der damaligen Zeit ausgeführt worden, und wir haben stets nach bestem Wissen und Gewissen gearbeitet“, betont Granitza. Dass die Hochstraße heute in diesem Zustand ist, lastet er vielmehr den politisch Verantwortlichen während der Jahrzehnte nach Fertigstellung der rund zwei Kilometer langen Brückenkonstruktion an. „Die Hochstraße Nord ist ja so gebaut worden, dass sie – anders als die Hochstraße Süd – innwändig hohl ist“, berichtet Heinz Granitza. Das bedeute aber auch, dass sie wohl mehr Angriffsfläche bietet. „Feuchtigkeit und Salz dringen in jede Ritze und greifen den Stahl an, der dann korrodiert und den Beton aufreißt“, erläutert der Baufachmann. Deshalb kann Granitza einfach nicht verstehen, „dass die Stadt nicht immer wieder daran gegangen ist, bestehende Schäden auszubessern“. Denn dann, ist sich der Ehemann und zweifache Vater ziemlich sicher, wäre die Hochstraße Nord noch ein paar Jährchen länger zu halten gewesen. „Ja, es ärgert mich schon, dass die Hochstraße jetzt tatsächlich abgerissen wird“, sagt Granitza mit einem Hauch Wehmut. Im nächsten Moment aber erzählt der Rentner, der aus Ostpreußen stammt und seit über 60 Jahren in Ludwigshafen lebt, an welchen Großbaustellen er sonst noch überall zugange war. „In Leipzig und Dresden etwa haben wir für die Deutsche Bahn nach der Wende das Netz gebaut. Außerdem war ich am Bau des Rundtunnels beteiligt, in dem heute der Teilchenbeschleuniger am Europäischen Kernforschungszentrum Cern in der Schweiz und in Frankreich untergebracht ist.“ Gleich nach Fertigstellung der Hochstraße Nord sei er aber zunächst nach Heidelberg gekommen. „Da haben wir das Deutsche-Bank-Gebäude hochgezogen“, erinnert sich Granitza. Alles interessante Aufgaben – und überall, außer in Ludwigshafen, bröckele nach seinem Kenntnisstand bis zum heutigen Tag nichts.

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