Grünstadt „Bin dem Publikum nicht böse“

Bei den Mundarttagen in Bockenheim wird morgen, Samstag, in der Emichsburg das Kabarett „Die Ään un das Anner“ als Vorpremiere gezeigt. Zu erleben sind Alice Hoffmann (62), bekannt vor allem als Hilde Becker aus der ARD-Serie „Familie Heinz Becker“, und Bettina Koch (54, Tatort). Mit Hoffmann, die seit 1972 als Moderatorin, Sängerin, Sprecherin und Darstellerin in Hörspiel- und Fernsehproduktionen arbeitet, sprachen wir über die Schauspiel-Karriere einer mehrfachen, alleinerziehenden Mutter.

Frau Hoffmann, 1996 stiegen Sie aus der Kultserie „Familie Heinz Becker“ aus. Haftet Ihnen die Rolle der naiven, einfältigen, aber liebenswürdigen Hilde Becker immer noch an?

Natürlich. Die Serie wird ja ständig wiederholt und ist deshalb immer noch präsent. Als ich jung war, da hat man sich Filme mit Heinz Rühmann oder Greta Garbo angeschaut, weil man die Schauspieler mochte. Heute sieht das Publikum eher die Rolle und weiß oft gar nicht mehr, von wem sie dargestellt wird.

Stört Sie das?

Naja, eigentlich wollte ich nicht von Beruf Hilde Becker werden. Dem Publikum bin ich nicht böse, aber den Regisseuren. Die glauben nämlich oft, dass ich gar nicht anders kann, und seither werden mir meist ähnliche Rollen angeboten.

Wie lebt es sich damit?

Gut. Dank der Hilde Becker hatte ich einen Riesenerfolg. Zuvor war mein Leben von der Kunst eher schwierig. Das Fernsehen ist ein hervorragender Werbeträger für mich. Leute besuchen eher ein Kabarett, wenn ihnen die Akteure schon bekannt sind.

In welche Rolle würden Sie am liebsten schlüpfen?

Am liebsten in alle. Wenn ich mich in andere Seelen hineinversetze, erhoffe ich mir, die Menschen besser verstehen zu können. Als Kind habe ich Leute, die mir besonders auffielen, weil sie zum Beispiel einen Tick oder eine Behinderung hatten, im stillen Kämmerlein nachgeäfft, um mich besser hineinfühlen zu können. Dabei – und auch in aller Öffentlichkeit, so dass es meiner Mutter und meinen Geschwistern peinlich war – habe ich so getan, als hätte ich sie nicht mehr alle. Ich war oft der letzte Clown.

Was haben Ihre Eltern dazu gesagt, als Sie ihnen erklärten, dass Sie Schauspielerin werden wollten?

Ich habe es ihnen nicht gesagt. Für meinen Vater standen Schauspieler auf einer Stufe mit Prostituierten. Nach dem Abitur habe ich mich an der Universität des Saarlandes für Soziologie, Germanistik und Psychologie eingeschrieben und ein Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Theater in Saarbrücken absolviert. Erst nach meinem Diplom und als ich das erste Engagement hatte, bin ich zu meinen Eltern gegangen. Und dann war es auch in Ordnung.

Was war denn Ihre erste Rolle?

Das war Lucie in Goethes Trauerspiel „Stella“ am Staatstheater Saarbrücken. Cäcilie wurde von Thekla Carola Wied dargestellt. Als ich die Kollegin, die heute 70 ist, viele Jahre später wiedertraf, konnte sie nicht glauben, dass ich ihre Tochter gespielt hatte.

Apropos Tochter: Sie haben fünf Kinder. Wie haben Sie die Mutterrolle mit ihrer Karriere unter einen Hut gekriegt?

Gar nicht. Als die Kinder klein waren, blieb die Karriere auf der Strecke, später kamen die Kinder zu kurz. 1989 bin ich zusammengebrochen. Ich hatte keine feste Stelle. Um die Lebenshaltungskosten bezahlen zu können, habe ich überall versucht, Geld zu machen. Ich habe Telefondienste übernommen, in Privatwohnungen geputzt und in Pizzaküchen gespült. 1990 fragte ich beim Staatstheater Saarbrücken nach einer Festanstellung. Als Souffleuse und Regieassistentin konnte ich dann meine Familiensituation ordnen.

Haben Sie Ihre Kinder davon abgehalten, Schauspieler zu werden?

Nein. Mein Sohn Pablo hat seine Karriere als Sechsjähriger begonnen. Eine Bekannte drehte für ihre Kameraprüfung beim Saarländischen Rundfunk den Film „Engelchen“ und suchte dafür den Protagonisten. Ihr Werk zog auf einem Festival große Aufmerksamkeit auf sich, und Pablo bekam weitere Rollen. Inzwischen ist er 27 und studiert Regie.

Bettina Koch kennen Sie schon seit der Schauspielschule. Mit ihr und Ingrid Braun haben Sie das Tanz-Kabarett „s’Irene“ gegründet, später trennten sich Ihre beruflichen Wege. Wie kommt es jetzt zu Ihrem gemeinsamen Projekt „Die Ään un das Anner“?

Bettina ist wie ich in Saarbrücken geblieben und uns verbindet eine Freundschaft. Im vergangenen Jahr haben wir festgestellt, dass uns noch etwas anderes verbindet: permanente Geldsorgen. Im Sommer begannen wir, Bücher zu dem Thema zu wälzen und ein Kabarett darüber zu schreiben.

Was erwartet das Publikum?

„Das Anner“, die aus Hessen kommt, sucht einen Partner. Dafür geht sie auf den Friedhof, weil die Männer dort vermutlich noch nicht wieder vergeben sind. Mit ihrem Halbwissen, das sie sich angelesen hat, treibt sie „die Ään“, eine saarländische Hausfrau, zum Wahnsinn. Es ist ein Stück über Leben und Tod und – als wichtigstes Element – über Geld.

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