Grünstadt Als die Roten Teufel den Betze beben ließen

9. Mai 1998: Die Mannschaft des 1. FC Kaiserslautern nimmt in Hamburg die Meisterschale entgegen.
9. Mai 1998: Die Mannschaft des 1. FC Kaiserslautern nimmt in Hamburg die Meisterschale entgegen.

«Grünstadt.» Heute vor genau 20 Jahren spielten sich in Kaiserslautern und im fernen Hamburg historische Szenen ab. Vor dem Anpfiff der Bundesligapartie Hamburger SV gegen den 1. FC Kaiserslautern am 9. Mai 1998 bekamen die Gäste aus der Pfalz die Meisterschale überreicht. Historisch an diesem Titelgewinn ist bis heute, dass der 1. FCK als Aufsteiger deutscher Meister wurde. Das Team um Kapitän Ciriaco Sforza und Trainer Otto Rehhagel hatte die Meisterschaft allerdings bereits eine Woche zuvor durch einen 4:0-Heimerfolg gegen den VfL Wolfsburg gesichert. Der damalige Moderator der Sat1-Sendung „ran“ kommentierte die Meisterschaft mit den Worten: „Sieben lange Jahre musste die Pfalz auf den nächsten Titel warten.“ 20 titellose Jahre später und vor dem besiegelten Abstieg in die 3. Liga müssen diese Worte wie Hohn für die leidgeplagten Fans des FCK klingen. Zeit für nostalgisches Schwelgen in bessere Zeiten: Wie haben Sportler aus der Region den Tag der legendären Meisterschaft beim Heimspiel gegen Wolfsburg erlebt? Die Meistersaison stellte die Doppelhaushälfte von Gudrun Rosenbach (Marathonläuferin und Bodyfittrainerin bei der TSG Grünstadt) auf eine besondere Stabilitätsprobe – ihre Nachbarn sind begeisterte FCK-Anhänger und jedes Spiel wurde entsprechend gefeiert. Besonders das entscheidende Meisterschaftsspiel wurde frenetisch bejubelt. „Eine riesige Vereinsfahne wurde dann im Garten gehisst und alle Nachbarn haben den Titel gemeinsam gefeiert“, erinnert sich Rosenbach. Fußballtorwart Sven Spangenberger und Hockeyspieler David Mian vom VfR Grünstadt erinnern sich gemeinsam an den einzigartigen Tag vor 20 Jahren. Der damals siebenjährige Sven saß mit seiner Schwester und seiner Mutter vor dem Fernsehgerät. „Die ganze Familie hat für Kaiserslautern gefiebert, nur ich als Bayernfan habe gehofft, dass die Münchner in Duisburg treffen“, so der Keeper, der sich damit als echter Rebell outet. Möglich machte das eine Konferenzschaltung des Senders Premiere, der beide Spiele parallel zeigte. Vater Spangenberger war zeitgleich auf dem Betze. Ebenfalls in Kaiserslautern befand sich David Mian – jedoch nicht im Stadion. „Es war herrliches Wetter an diesem Tag“, so die Eindrücke des VfR-Angreifers. Deshalb hatte sich Mian für einen Besuch im Freibad entschieden, konnte von dort aber die Geräusche aus dem Stadion vernehmen. Gegen 17.20 Uhr entbrannte der Jubel derart laut, dass Mian sofort klar war, was passiert war. Da er aber zu diesem Zeitpunkt der einzige Gast im Kaiserslauterer Freibad war, blieben kollektive Jubelstürme und Gruppenumarmungen aus. Als ehemaliger Dauerkartenbesitzer war Micha Bengel (Trainer TuS Sausenheim) beim Heimsieg gegen den VfL Wolfsburg natürlich live im Stadion dabei. In Zeiten ohne Smartphones und Internet berichtet Bengel darüber, dass überall im Fanblock Menschen mit Radios standen, um das Parallelspiel der Bayern mit zu verfolgen. Um das Spiel der eigenen Jungs nicht zu beeinflussen, hatte sich der FCK damals dazu entschieden, keine Zwischenstände von den anderen Plätzen auf der Leinwand einzublenden. „Es hatte keiner damit gerechnet, dass die Bayern in Duisburg Punkte liegen lassen“, berichtet Bengel über die Erwartungshaltung der Fans. Es gab aber bis zum Schlusspfiff keine Tormeldung. Bengel erinnert sich, dass es rund zwei Minuten nach Abpfiff der Partie auf dem Betze dauerte, bis die Meldung durchsickerte, dass der 1. FCK durch das Unentschieden der Münchner den Titel geholt hatte. Im frenetischen Jubel stürmten die Fans den Rasenplatz. Auch Christan Rodach (AH-Fußballer beim TSV Neuleiningen) war in der Meistersaison Dauerkartenbesitzer und beim entscheidenden Heimspiel im Stadion. Als damals 14-Jähriger ist ihm der Platzsturm nach Abpfiff als besonderes Highlight in Erinnerung geblieben. „Ich hab ein Stück Rasen herausgerissen und mitgenommen“, erzählt er. Der Rasen wurde dann bei seinem Vater im Garten eingepflanzt und ein Zaun samt dem Hinweisschild „Meisterrasen nicht betreten“ zum Schutz errichtet. Geholfen hat es nichts, noch im Herbst 1998 hauchte der Rasen seinen grünen Atem aus und verendete. Bleibt zu hoffen, dass dem Club 20 Jahre später nicht das gleiche Schicksal droht.

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