Grünstadt Nur der Ball läuft rund

Wer kennt die Namen dieser vier Fußballer noch? Christoph Rehm bei seiner Lesung im Grünstadter Eiscafé Rialto.
Wer kennt die Namen dieser vier Fußballer noch? Christoph Rehm bei seiner Lesung im Grünstadter Eiscafé Rialto.

«GRÜNSTADT.»„Herr Rehm hat sich leider etwas verfahren und jetzt ist auch noch sein Handy ausgegangen“ begrüßt mich Veranstalter Adrian Tabacki und lächelt nervös. Eigentlich habe Rehm angekündigt, immer eine Stunde vor Beginn einer Lesung da zu sein, damit er sich noch vorbereiten könne. Nun soll es eigentlich schon losgehen. Da winkt Tabacki plötzlich einem vorbeifahrenden Auto zu. Es ist Rehm. Punktlandung. „Ich finde mich genau in Heidelberg zurecht, darüber hinaus bin ich ohne Navi verloren“, sagt er entschuldigend. Das „Rialto“ ist gut besucht, jedoch bleiben die meisten Gäste draußen in der Abendsonne sitzen, die Zuhörer im Innenraum lassen sich an zwei Händen abzählen. Rehm scheint das nichts auszumachen, schließlich sind auch im Amateurfußball Zuschauermassen eher eine Seltenheit. Doch nicht nur der Verkehr ist heute tückisch: Auch der Flachbildschirm, mit dem Rehm seine Lesung untermalen möchte, stellt sich quer. Während der Präsentation blendet das Gerät beharrlich am Bildrand seine Kaufargumente (Flach, gutes Bild, toller Ton) ein, wahrscheinlich ist die Funktion für den Einzelhandel gedacht. Rehm zuckt mit den Schultern: „Geht ja auch so.“ Er hat Recht, nach ein paar Minuten fällt das Blinken gar nicht mehr auf. Und irgendwie wäre eine durchgestylte und bis ins letzte Detail perfekte Show auch nicht der passende Rahmen für diese Lesung. „Falscher Einwurf – Die eigenen Gesetze der Kreisliga“ handelt von den Absurditäten in der Welt des Amateurfußballs. Einer Welt also, die nicht weiter von einem durchgestylten Cristiano Ronaldo und seiner perfekten Show entfernt sein könnte. In der die Großinvestoren „Schlachterei Müller“ heißen und nicht Hopp oder Abramowitsch. Durch seine zugängliche Erzählweise lässt Rehm seine Zuhörer in diese Welt eintauchen. Mit feinem Witz und ohne jegliche Abfälligkeit sind seine Texte Schlaglichter auf eine Szene, die von den Elitefans der Bundesliga weitgehend ignoriert wird, ohne die der Deutsche Fußball in dieser Form jedoch kaum denkbar wäre. Es ist genau dieser Kontrast, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Amateur- und Profifußball, die den Reiz von Rehms Erzählungen ausmachen. Wenn etwa kleine Vereine ihren großen Vorbildern nacheifern und sich von einem darauf spezialisierten Anbieter im Internet eine eigene Stadionhymne komponieren lassen. Rehm spielt vier von ihnen vor: Sie alle ähneln sich bis zur letzten Note, lediglich die Vereinsfarben (Rot-Weiß/Schwarz-Gelb) wurden jeweils verändert, die Texte sind sonst identisch. Oder wenn Kreisligisten plötzlich auch einen „aggressive Leader“ à la Marc van Bommel engagieren, der sich dem neuen Team als „Bomber“ vorstellt und sich in Spiel- und Sozialverhalten auf dem „schmalen Grad zwischen Wahnsinn und Zurechnungsfähigkeit“ bewegt. Egal, ob Rehm die sprachlichen Besonderheiten auf dem Platz („Achtung, der Libero spielt Jambalaya“), die kulinarischen Delikatessen von Sportgaststätten oder die trinkfesten Thekentrainer in denselben beschreibt, eins wird schnell deutlich: Er verfügt über eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe, Grundvoraussetzung eines guten Geschichtenerzählers. Sein Buch ist keine zusammengewürfelte Anekdotensammlung, sondern wirkt wie die Aufzeichnungen von jemandem, der jahrelang jeden Charakter auf und abseits des Spielfeldes studiert hat und diesen nun auf dem Papier ein Denkmal setzt. Rehm macht eine Halbzeitpause. Er habe seinen Geldbeutel nicht mit, daher müsse er mindestens zwei Bücher verkaufen, um genug Benzin für die Rückfahrt zu haben, erzählt er draußen. Es läuft wirklich nicht alles rund heute. Doch das tut in der Kreisliga auch nur der Ball. Und das ist ja genau das Schöne daran.

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