Grünstadt „Kopftuch muss raus aus Schulen“

Reizthema Kopftuch: Necla Kelec lehnt es als „sexistisch“ ab. Das Plakat mit einer jungen Muslima stammt aus einer interaktiven
Reizthema Kopftuch: Necla Kelec lehnt es als »sexistisch« ab. Das Plakat mit einer jungen Muslima stammt aus einer interaktiven Ausstellung über Islam der Bundeszentrale für politische Bildung in Dresden.

«Speyer.» Necla Kelek (61) ist Soziologin und Publizistin, Islamkritikerin, Autorin und Frauenrechtlerin. Heute hält sie in Speyer auf Einladung des Frauen- und Mädchen-Notrufs den Vortrag „An den Rechten der Frauen misst sich die Demokratie – Islamische Organisationen und Integration“. Ellen Korelus-Bruder hat mit ihr gesprochen.

Frau Kelek, Sie kritisieren das Frauenbild im traditionellen Islam öffentlich. Warum?

Die Frau wird im real gelebten Islam nach dem Scharia-Gesetz als Besitz des Mannes und seiner Familie betrachtet. Das ist zu kritisieren, wie die Praxis der Apartheid, nach der Frauen ins Haus gehören oder nur verschleiert auf die Straße dürfen. Mir geht es darum, dies in der Öffentlichkeit deutlich zu machen und wenn möglich zu ändern. Was haben überholte Vorstellungen mit jungen Moslems oder Geflüchteten in Deutschland zu tun? Muslimische Familien leben das Prinzip der Unterwerfung der Frauen vor den Männern. Junge Menschen werden nicht zu selbstverantwortlichen Individuen erzogen, sondern zu Untertanen, die dem Vater, der Familie, der Religion zu dienen haben. Vorstellungen von Recht auf Selbstständigkeit, Unverletzlichkeit der Person und Eigenverantwortung sind nicht vorgesehen. Die jungen Männer sind Teil und Träger dieser Gemeinschaft. Warum erkennen viele Muslime unsere demokratischen Errungenschaften nicht als Chance? Weil sie europäische Lebensart nicht als Errungenschaft sehen. Das Recht auf ein eigenes Leben wird als Verrat an der Familie, Individualismus als Egoismus bewertet. Das Kopftuch ist im Koran nicht als religiöses Symbol verankert, dennoch begründen viele Frauen ihre Kopfbedeckung damit. Was stimmt? Das Kopftuch ist eine Empfehlung, kein Gebot. Der Schleier soll laut Koran die Frauen vor sexuellen Übergriffen schützen. Das Kopftuch ist in diesem Sinne sexistisch. Für mich hat es weder bei Lehrerinnen noch bei Schülerinnen etwas zu suchen. Auch dann nicht, wenn muslimische Frauen uns erzählen, sie hätten sich freiwillig verhüllt. Sie kommen auf Einladung des Frauen- und Mädchen-Notrufs nach Speyer. Wie wichtig ist diese Einrichtung für Muslima? Es gibt 350 Frauenhäuser in Deutschland. Bis zu 80 Prozent der Bewohnerinnen sind mittlerweile muslimische Frauen. Welche Rolle spielt sexualisierte Gewalt im traditionellen Islam? Weibliche Sexualität gilt im traditionellen Islam als zerstörerisch und muss deshalb kontrolliert werden. Wie weit sind demokratische Grundordnung und Wertvorstellungen des Islam voneinander entfernt? Der traditionelle Islam kennt nur die Herrschaft des Mannes, des Älteren, des Islam. Muslime, die den Rechtsstaat anerkennen und nach ihm leben, sind Teil der demokratischen Gesellschaft. Der türkische Präsident Erdogan erhält viel Zuspruch von Türken in Deutschland. Weshalb? Erdogan konnte jahrelang unter anderem über Moscheevereine der Ditib islamistisches und nationalistisches Gedankengut verbreiten. Deutschland hat weggesehen und verharmlost. Integration wurde weder eingefordert noch von großen Teilen der politisch Verantwortlichen gewollt. Das Ergebnis ist, dass mancher Türke in der vierten Generation in diesem Land lebt und es gleichzeitig verachtet. Mit Ihrer Kritik unterstützen Sie auch Parolen rechter Populisten. Wie gehen Sie damit um? Als ich 2005 auf Zwangsverheiratung in der muslimischen Gesellschaft in Deutschland aufmerksam gemacht habe, wurde ich von Migrationsforschern dafür kritisiert, der CDU in die Hände zu spielen. Heute kommt der Hinweis auf die AfD. Die Lage der Frauen kümmert die Professoren wenig. Mich aber wohl. Termin Vortrag heute, 19 Uhr, im Historischen Ratssaal. Thema: „An den Rechten der Frauen misst sich die Demokratie – Islamische Organisationen und Integration“.

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