Grünstadt Des Kaisers neue Schuhe

Hat auch welche: unser Autor.
Hat auch welche: unser Autor.

osa Fußballschuhe. Sie sind überall. In der Sportschau, im Pay-TV und in der Zeitung. Weltstars tragen sie. Mats Hummels hat sie, Javi Martínez ebenfalls. Und natürlich auch Kevin, Nils und Justin vom TSV Unteroberammerau. Oder dem FC Hintergumpen. Man muss sie jetzt tragen, wenn man vor seinen Teamkollegen einigermaßen etwas hermachen will. Wenn man als besonders virtuoser Rasenkicker gelten möchte. Oder zumindest als jemand, der einen Ball stoppen kann, ohne dabei die eigenen Beine zu einem stattlichen Seemannsknoten zu verwursteln. Rosa Fußballschuhe. Die Rentner am Spielfeldrand schütteln verständnislos den Kopf – und fühlen sich an die 1990er Jahre erinnert. Damals, als beim Stuttgart das „magische Dreieck“ herumzauberte: Fredi Bobic, Krassimir Balakov und Giovane Elber. Spieler, die so magisch waren, dass sie zum ersten Mal bunte Fußballschuhe tragen konnten, ohne damit ernsthaft Gefahr zu laufen, von den eigenen Fans verprügelt zu werden. Wer seinen Idolen damals nacheifern wollte, zog in seinem Verein selbstverständlich sämtliche Blicke auf sich. Ein B-Jugendspieler mit roten Fußballschuhen? Was glaubt der, wer er ist? Maradonas gehbehinderter Halbbruder? Und auch im Jahr 2018 hört man sie wieder, diese verächtlichen Bemerkungen vom Spielfeldrand. Diesmal allerdings noch ein paar Stufen primitiver. Was das für ein „Rumgeschwuchtel“ sei, mit diesen rosa Fußballschuhen. Ob man „beim Christopher Street Day oder auf dem Fußballplatz“ sei. Wann denn der „Geburtstermin für den schwangeren Innenverteidiger“ anstehe oder ob man nach dem Spiel „noch in die Stadt fahren und für die Ballerina ein Tu-tu kaufen“ solle. Das ist alles nicht sonderlich lustig, trotzdem lacht jeder. Weil man nicht darüber nachdenkt oder weil es einem schlichtweg nicht in den Sinn kommt, dass es Kommentare wie diese sind, die noch immer das öffentliche Outing eines schwulen Fußballspielers unmöglich machen: Echte Männer sollen lieber in Skistiefeln auf dem Platz rumstümpern, als in rosa Fußballschuhen auflaufen! Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich sehen rosa Fußballschuhe völlig idiotisch aus. Wer nur einen Hauch Stilempfinden in sich trägt, der spielt auch im 21. Jahrhundert mit den klassisch-schwarzen Tretern, mit denen einst Franz Beckenbauer auf dem Platz die Fäden zog. Elegant wie eine Ballerina, übrigens. Und das ganz ohne rosa Schuhwerk. Die Kolumne Unser Autor kann auf eine lange und erfolglose Karriere in den Niederungen des Amateurfußballs zurückblicken. Hier schreibt er wöchentlich über Schwalbenkönige, Kabinenrituale und Trainingsweltmeister – rein subjektiv natürlich, denn die Wahrheit liegt sowieso auf dem Platz.

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