Grünstadt Bis zum Tod standhaft geblieben

Angesichts der bevorstehenden Europawahlen hat die Autorin und Schauspielerin Lore Seichter-Muráth am Montag bei einer Lesung im Theaterraum des Leininger-Gymnasiums den Schülern der MSS 12 die Geschichte von Sophie Scholl näher gebracht. Das Schicksal einer jungen Frau, die sich gegen das Hitler-Regime stellte und ihre eigene Meinung bis in den Tod vertrat.

Sophie Scholl, die Seele des NS-Widerstandes, die Weltveränderin, die deutsche Jeanne d’Arc – das sind nur einige Beinamen, die die Studentin, die vor mehr als 70 Jahren hingerichtet wurde, posthum erhalten hat. So betitelte der letzte Überlebende der Widerstandsgruppe der „Weißen Rose“ sie als „die Mutigste von allen“. Vielleicht, meinte Seichter-Muráth, fehle der heutigen jungen Generation ein solches Vorbild. Eines, das vor antidemokratischen Tendenzen warnt. Deshalb hat die Autorin eine szenische Collage über die Widerstandskämpferin verfasst und den Gymnasiasten vorgetragen. Initiiert wurde die Veranstaltung von der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt und Verbandsgemeinde Andrea Breßler. Oberstudiendirektorin Cornelia Diehl hob eingangs den Anlass der Lesung hervor: Vor dem Hintergrund, dass viele Schüler der MSS 12 in diesem Jahr zum ersten Mal ihre Stimme bei der Europawahl abgegeben werden, solle den Schülern das Schicksal einer Person dargestellt werden, die sich gegen ein rechtsradikales System gestellt hat. Dadurch solle den Schülern ihre eigene Bedeutung in einer Gesellschaft, in der ein Ruck nach rechts spürbar sei, deutlich werden. In 90 Minuten hatten die Jugendlichen Gelegenheit, mehr über Sophie Scholl zu erfahren. Der Text ist eine Mischung aus Tagebucheinträgen, Briefen an Scholls Verlobten, Liedern und Berichten aus dem Volksempfänger, dem Radiosender, der von den Nazis vor allem zu Propagandazwecken genutzt wurde. Der Vortrag zeichnete sich durch eine ausgeprägte Vielfalt der Sprache aus: Wenn Seichter-Muráth als Sophie Scholl ihre Einsamkeit besang, wirkte ihre Stimme fast zerbrechlich und zart. Im scharfen Kontrast dazu standen die Durchsagen des Volksempfängers, die schroff, gebieterisch und kalt klangen. Besonderen Fokus legte die Autorin darauf, dass Scholl Mitglied im BDM (Bund Deutscher Mädel) war. Sie hatte es jedoch geschafft, sich dank ihrer Geschwister und ihrer Willenskraft aus den Fängen der NS-Jugendorganisation zu befreien und nahm damit viele Nachteile in Kauf. Auf die Frage, wie Seichter-Muráth auf die Widerstandskämpferin als Titelfigur ihres Stücks gekommen sei, antwortete sie, es sei ihr ein Bedürfnis gewesen. Ein Bedürfnis, da sie in ihrer Heimatstadt das Erstarken der rechtsextremen Szene erlebt habe. In manchen anderen Orten seien ihre Lesungen von Störungen und Einschüchterungen durch Motorenlärm begleitet gewesen. Dennoch habe sie gerade auch in rechtsradikalen Hochburgen Zuspruch von ihren Zuhörern erhalten. Verwunderung lösten die Äußerungen der Gleichstellungsbeauftragten Breßler am Ende der Veranstaltung aus, die eine Parallele zwischen Rechtsradikalismus und Antifeminismus zog und dies auf das Stück rund um die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ bezog. Zwölftklässler Simon Meister meinte: „Der Zusammenhang zwischen Sophie Scholl und der Gleichstellung der Frau ist mir nicht klar. Die ,Weiße Rose’ hat das NS-Regime abgelehnt und sich gegen die Sanktionen und den Krieg ausgesprochen, ist aber nicht für die Gleichberechtigung aus unserer heutigen Sicht eingestanden.“ Die politische Werbung der Gleichstellungsbeauftragten sei nicht notwendig gewesen, sagte der Schüler, „und hat meiner Meinung nach das Thema verfehlt“. Der Vortrag sei weniger auf die „Weiße Rose“ fokussiert als vielmehr auf die individuelle Wahrnehmung von Sophie Scholl. Benjamin Theobald stimmte seinem Mitschüler zu: „Mir kam es so vor, als hätten Frau Breßler die Themen, um die es Lore Seichter-Muráth ging, und zwar Antisemitismus und Nationalismus, nicht wirklich interessiert.“ Zur Lesung merkte er an: Ihn hätten einige Aspekte sehr interessiert, aber es sei manchmal schwierig gewesen, den Orts- und Zeitsprüngen zu folgen. Dennoch hat die Veranstaltung ihr Ziel erreicht: Noch in den späteren Unterrichtsstunden blieb sie Gesprächsthema Nummer eins. Die Geschichte von Sophie Scholl hat zum Nachdenken angeregt.

x